Finale: Dry Aging im Gemüsefach

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Sechs Steaks, je 450 g, sind das Ergebnis meines Fleisch-Reife-Experiments im Gemüsefach unseres Kühlschranks.

Begonnen habe ich vor 21 Tagen.

Wer die Veränderungen noch einmal vergleichen möchte:

Hier ging es los (Klick).
Nach einer Woche (Klick).
Halbzeit (Klick).

Das Gewicht mit Knochen lag zu Beginn bei 6 kg. Der Gewichtsverlust über die 3 Wochen beträgt etwa 800 g. Heute habe ich es schließlich aus dem Kühlfach genommen. Es hat sich nicht mehr bewegt und auch nicht auffällig gerochen.

Nach Auslösen des Knochens und Entfernen der trockenen, äußeren Schicht, blieben 2,6 kg bestes flaches Roastbeef übrig.

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Der Geschmackstest steht noch aus. Ich werde berichten. Wenn keine neuen Einträge mehr kommen, ist irgendetwas schief gelaufen.

Wer mehr über die Reifeprozesse im Fleisch wissen möchte, kann weiter lesen. Aber es wird ausführlich (MmniaaeWmaMk!).


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Fleisch-Reifung - Ziele

Der entscheidende Zeitraum für das Reifen von Rind liegt zwischen 4 (bei 18 ºC) und 21 Tagen (bei 2 ºC). Je höher die Temperatur, desto größer die endogene Enzymtätigkeit, bis zu deren Denaturierung bei zu hohen Temperaturen.

Dabei soll Folgendes erreicht werden:

- Lockern des Actomyosins (Auflösen des Rigor Mortis).
- Säurequellung des Kollagens durch das gebildete Laktat (das Kollagen schrumpft beim späteren Garen weniger).
- Lösen von Bindungen des kontraktilen Eiweiß.
- Aromenbildung durch Abbau von Eiweiß und Fett.
- Konzentration der Aromen durch Wasserverlust.
- Erhöhung des Wasserbindevermögens.

Zusammengefasst also Zartheit, Säuerung, Saftigkeit und Aromenbildung.

Bei längerer Reifung als etwa 28 Tagen bei 2 ºC ist diesbezüglich keine entscheidende Verbesserung mehr zu erreichen.

„Rindfleisch beispielsweise erreicht bei 5 ºC innerhalb von 14 Tagen 80 % des möglichen Zartheitsgrades: die Enzymaktivität (und damit der Prozess des Zartwerdens) endet etwa 21 Tage nach der Schlachtung.“ (Modernist Cuisine, Bd 3, Seite 41)

Nach der Schlachtung - die erste Phase / Rigor Mortis

Nach dem Schlachten und Ausbluten des Rindes sind die Vorgänge im Muskel immer anaerob, da kein Sauerstoff mehr über den Blutkreislauf zur Verfügung gestellt wird. Der Schlachtkörper muss nun zunächst langsam (ca. 24 Std.) auf 10-15 ºC gekühlt werden, da sich die Muskelfasern sonst irreversibel verkürzen. Das Fleisch wäre nach dem Zubereiten zäh.

Der leicht saure Geschmack und Geruch des Fleisches entsteht, da das Glykogen im Muskel durch Enzyme zu Milchsäure abgebaut wird (Glykolyse). Ohne Blutkreislauf wird die Milchsäure nicht mehr abtransportiert also sinkt der pH-Wert des Fleisches von 7 auf etwa 5,5. Durch die Säure und den entsprechend niedrigen pH-Wert wird es haltbarer und das Kollagen quillt etwas auf.

Die Totenstarre beginnt etwa 8-24 Std. nach der Schlachtung. Der ATP-Spiegel sinkt und mit erreichen des End-pH-Wertes verbinden sich Aktin und Myosin dauerhaft zu Aktomyosin. Im lebenden Körper sorgt das ATP dafür, das sich die Muskelstarre löst.

Fleischreifung - die zweite Phase

Bei Erreichen des End-pH-Wertes nach Rigor Mortis, beginnen proteolytische Enzyme zu arbeiten. Dies ist entscheidend im Reifeprozess. Dabei werden zunächst nicht-lysosomale Enzyme (Calpaine = calcium-dependent papain-like proteinases) durch die hohe Calcium-Konzentration aktiviert, gefolgt von lysosomalen Enzymen (Cathepsine) durch den niedrigen pH-Wert von 5,5.

Da die Calpaine gezielt an einer bestimmte Stelle am Aktomyosin angreifen (Z-Scheibe), führt dies zu Querbrüchen an diesen Verbindungsstellen. Calpaine sind auch bei niedrigen Temperaturen und pH-Wert aktiv und wahrscheinlich die Hauptursache für das Zartwerden von Muskelfleisch.

Die dann folgende, zeitlich verzögerte Wirkung der Cathepsine beruht darauf, dass sie in den Lysosomen sitzten und erst bei niedrigen pH-Werten aktiviert werden, etwa 7-10 Tage post mortem.

Cathepsine zersetzen neben Aktin und Myosin auch viele weitere körpereigenen Makromoleküle (Proteine, Polysaccharide, Lipide und Nucleinsäuren), was entscheidend für die aromatischen Veränderungen während der Reifephase ist. Weitere Aromen entstehen durch enzymatisch abgebaute Fettsäuren (Lipolyse), wobei hier auch unangenehm ranzige Noten auftreten können.

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Feuchtigkeitsverlust während der Reifezeit

Während der Reifung verliert das Fleisch Wasser. Gegen Ende des Reifeprozesses steigt der pH-Wert im Fleisch und damit auch das Wasserbindevermögen.

Über eine Luftfeuchtigkeit von etwas 80 % und 2-4 ºC in einem belüfteten Kühlraum wird erreicht, das das Fleisch gleichmäßig und langsam trocknen kann.

Bei einem luftgetrockneten Schinken oder auch Beef Jerky geht man übrigens ähnlich vor, wobei durch Salz das Fleisch schneller und stärker austrocknet und somit unerwünschten Keimen die Nahrungsgrundlage genommen wird. Daher sind diese Produkte so lange haltbar - jedoch nicht zum Braten geeignet.

Der Wassergehalt und die Wasserbindung im Fleisch ist ausschlaggebend, um nach dem Braten ein gleichmäßig gegartes Steak zu erhalten, da bei den hohen Temperaturen beim Anbraten gleichzeitig eine Kühlung durch austretenden Fleischsaft stattfindet. Zu trocken sollte das Fleisch also nicht sein. Man muss bedenken, das nur 5% des Wassers im Muskelfleisch an Eiweiß gebunden ist (Hydratwasser). Der Rest ist freies Wasser mit gelösten Stoffen (z.B. Eiweißstoffe , Salz und Kohlenhydrate) und befindet sich in schmalen Kanälen zwischen denn Muskelfasern.

Letztlich spielt der Feuchtigkeitsgehalt des Fleisches natürlich eine große Rolle für das saftige Mundgefühl beim Genuss eines Steaks.

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