Die perfekte Bolognese - bezogen auf Abwasch und Zeit

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Ein wichtiges Kriterium beim Kochen ist für mich, so wenig Abwasch wie möglich zu produzieren. Im besten Fall ist die Küche zeitgleich mit den fertigen Speisen sauber. Meine Familie hat diesbezüglich eine andere Herangehensweise und findet mich in diesem Fall eher spießig.

Ich koche gern Gerichte, bei denen nur eine Pfanne, ein Backblech oder ein Topf benötigt wird. Manchmal muss ich dann einen Kompromiss eingehen, aber das ist es mir Wert.

Und ich koche gern schnell. Alles was lange dauert, finde ich anstrengend. Keine guten Voraussetzungen für die perfekte Bolognese.

Denn in vielen Rezepten werden zum einen die verschiedenen Zutaten in zwei oder drei Pfannen angebraten und dann in einem großen Topf zusammengefügt - also ein Haufen Abwasch. Zum anderen erfordert ein Ragout, und nichts anderes ist eine gute Bolognese-Sauce, viel Zeit:

Richtig gut wird die Sauce nämlich, wenn man ein gut durchwachsenes Stück Schmor-Fleisch in nicht zu kleine Würfel schneidet. Um dieses weich und saftig zu schmoren, benötigt man jedoch einige Stunden. Eine gute und zeitsparende Alternative ist das hier verwendete Entrecôte, also ein Stück aus der Hochrippe.

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Beim langen Kochen entsteht etwas, was der Japaner "Kokumi" nennt. Übersetzt bedeutet dies "Mundfülle" und beschreibt den Geschmack und die Konsistenz eines lang gekochten Gulasch oder eben Ragouts. Daher werden manche Gerichte auch durch das Aufwärmen am nächsten Tag noch geschmackvoller.

Beim langen Kochen zerfallen Proteinketten durch Hydrolyse langsam in immer kleinere Bruchstücke. Diese Bruchstücke (γ-Glutamylpeptide) bestehen aus zwei oder drei Aminosäuren und einer Glutaminsäure. Dabei können die Aminosäuren zum Teil fett-, zum Teil wasserlöslich sein.
Was dabei beim Schmecken passiert, ist noch nicht genau bekannt, denn die γ-Glutamylpeptide selbst haben keinen Eigengeschmack. Sie intensivieren und stimulieren jedoch den Gesamteindruck der Sinnesreize (
siehe auch Artikel über Abschmecken -> klicken).
Wenn übrigens durch das lange Kochen auch noch die Aminosäuren von der Glutaminsäure getrennt werden, wird durch diese freie Glutaminsäure (auch als Glutamat bekannt) der herzhafte Umami-Geschmack erzeugt.

Diese Konzentration von Mundfülle und herzhaftem Geschmack entsteht nicht nur durch Kochen, sondern auch durch Fermentation (Soja-Sauce oder Maggi), oder durch Enzyme (z.B. beim Reifen von Käse oder Fleisch).

Mit diesem Wissen habe ich kleine Tricks zusammengetragen, um die Bolognese-Sauce trotz kürzerer Kochzeit zu intensivieren:


1. Würzen mit Fisch- oder Soja-Sauce

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Auch wenn man es aufgrund des Logos der oben abgebildeten Flasche denken könnte, wird Fisch-Sauce nicht aus Delfinen hergestellt. Dies ist lediglich der Name des Herstellers. Die Sauce kommt aus Italien und wird im Prinzip wie seit mehr als 2000 Jahren hergestellt:
Die Sardellen werden gesalzen, in Fässern geschichtet und so fermentiert. Die entstehende Flüssigkeit wird nach einiger Zeit der Reifung abgefüllt. Im alten Rom wurde diese Würzflüssigkeit übrigens Garum oder Liquamen genannt.

2. Verwenden von bereits gekochten, anstelle von frischen Tomaten

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Wenn man ein Ragout oder ein Chili con Carne etwas stehen lässt, sollte sich kein Wasser mehr an der Oberfläche absetzten. Das bedeutet, dass man während des Garens soviel Flüssigkeit wie möglich verkochen muss, um eine sämige Konsistenz zu erhalten. Daher verwende ich gute, gekochte Tomaten aus der Dose oder aus Gläsern. Um die Sauce zusätzlich etwas einzudicken und zu binden, füge ich zu Beginn noch ein bis zwei Esslöffel Tomatenmark hinzu.

Einige weitere Vorteile beim Einkochen von Tomaten habe ich hier beschrieben (-> klicken).

3. Zugabe von geriebenem Parmesan

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Die Zugabe von etwas geriebenem, reifen Parmesan-Käse gibt einen zusätzlichen Geschmack durch Glutamat. Dieses entsteht nämlich beim Reifen von Käse, wobei sich zusätzlich durch die langsame Trocknung die Aromen konzentrieren. Der von mir verwendete Parmesan ist 24 Monate gereift und wunderbar aromatisch.

Zum ausführlichen Rezept mit vielen Bildern geht es hier (-> klicken).

Zwölfmal Tomate

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Für das folgende Gericht habe ich mich von einem Rezept aus Jürgen Dollases Buch "Himmel und Erde" inspirieren lassen. Es handelt sich um ein "Sensorisches Ragout von der Tomate". Damit soll gezeigt werden, dass die Konsistenz, Textur oder auch Temperatur einer Zutat großen Einfluss auf den Genuss derselben hat. Um dies nachzuvollziehen, schlägt er vor, drei kleine Tomaten mit drei verschiedenen Temperaturen zu servieren: bei Zimmertemperatur, auf 60 ºC erwärmt, sowie eiskalt.

Ich habe mich nicht sklavisch an das Rezept gehalten, sondern einfach mit Zutaten losgelegt, die im Haus waren. Nach dem Anrichten habe ich noch einmal nachgezählt, ob es auch wirklich 12 Tomaten-Variationen sind. Im Gegensatz zu Rüdiger Hoffmanns "Acht Kostbarkeiten" hat es gepasst.

Hier also die verschiedenen Zubereitungen.


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Zwölfmal Tomate

1. Getrocknete Tomatenhaut

Vier kleine Datteltomaten am Stilansatz kreuzweise einschneiden und kurz in kochendes Wasser geben. In kaltem Wasser abschrecken und vorsichtig die Haut abziehen.
Die Haut bei 90 ºC ca. 10 min im Backofen trocknen.

2. Karamellisierte Dattel-Tomaten

Die geschälten Datteltomaten halbieren, in einer Pfanne etwas Waldhonig karamellisieren lassen, mit dunklem Balsamico-Essig ablöschen, dickflüssig einkochen und mit Salz abschmecken.
Die Tomaten auf der Schnittfläche in die Sauce legen und ca. 5 min darin vorsichtig schwenken. Sie sollen noch ihre Form bewahren.

3. Tomatensaft-Tabasco-Gelee

Etwas gemahlene Gelatine mit wenig Wasser quellen lassen. 100 ml Tomatensaft oder passierte Tomaten dazu geben und nun so lange vorsichtig erwärmen, bis sich die Gelatine komplett aufgelöst hat. Mit Tabasco, Salz und Pfeffer würzen, in eine kleine Flache Form mit Klarsichtfolie etwa 1 cm hoch einfüllen und im Kühlschrank erkalten lassen. Das Gel sollte nicht zu fest werden.

4. Tomatenconcassée

4 kleine Dattel-Tomaten vierteln, die Kerngehäuse vorsichtig herausschneiden (aufheben, denn dies ist Komponente Nr. 5) und das Fruchtfleisch zu feinen (3 x 3 mm) Würfeln verarbeiten. Kurz in etwas erhitztem Olivenöl schwenken. Mit Zitronenabrieb, Salz und Thymian abschmecken.

5. Tomaten-Kerngehäuse (siehe 4.)

Dollase empfiehlt, das Innere der Tomate als Einzelelement, da es viel Geschmack und Glutamat enthält. Es erinnert von der Optik her etwas an Froschlaich.

6. Tomatenschaum

Etwas Milch mit wenig Tomatensaft vermischen, so dass der Schaum noch fast weiß ist. Vorsichtig erwärmen und mit einem Pürierstab aufschäumen. Den oben aufliegenden Schaum zum Servieren abschöpfen. Noch schöner, weil schneeweiß, wird der Schaum, wenn man Lecithin-Pulver mit einer klaren Tomatenessenz mischt. Dazu den Tomatensaft über Nacht durch ein Sieb mit einem feinen Mulltuch laufen lassen.

7. Geeistes Tomatensüppchen

Eine Schalotte und eine Knoblauchzehe fein schneiden. In wenig Olivenöl anschwitzen. Etwas Tomatenmark sowie ein wenig Zucker hinzugeben und leicht anrösten. Mit Rotwein ablöschen und diesen verkochen. Tomatensaft angießen und 15 min köcheln lassen. Mit Salz abschmecken, durch ein Sieb passieren und kalt stellen.

8. Semmelbrösel in Tomatenöl geröstet

Etwas Tomatenöl in einer Pfanne erhitzen und die Semmelbrösel darin rundherum knusprig rösten. Auf einem Küchenpapier entfetten. Ich habe noch etwas klein geschnittene Tomatenhaut dazu gegeben. Als Tomatenöl eignet sich z.B. das Öl von darin eingelegten, getrockneten Tomaten.

9. Getrocknete Tomaten mit Oliven

2-3 weiche, getrocknete Tomaten in sehr dünne Streifen schneiden. Einige dieser Julienne beiseite legen (als Komponente Nr. 10). Aus den restlichen Streifen sehr feine Würfelchen schneiden. Auch einige Oliven (etwa gleiche Menge wie Tomaten) zu sehr feinen Würfeln zerhacken. Beides zu einer Art Tapenade (eine echte Tapenade besteht aus Oliven, Anchovies und Kapern) mischen.

10. Julienne von getrockneten Tomaten (siehe 9.)

11. Kleine Cherry-Tomaten auf 60 ºC erwärmt.

12. Kleine Cherry-Tomaten eiskalt (jedoch nicht gefroren).

Mit allen Komponenten habe ich wie auf den Bildern einen schönen Teller angerichtet. Die warmen Cherry-Tomaten lagen dabei in dem kalten Süppchen (also schnell servieren), die kalten Tomaten am Rand. Umgekehrt wäre dies natürlich bei einer heißen Suppe auch möglich.

À propos Suppe: da ich von allen Komponenten noch Reste hatte, habe ich diese zum Schluss in einen Topf gegeben und daraus eine schnelle Tomaten-Suppe gemixt. Das war sicher nicht im Sinne des Erfinders, hat aber gut geschmeckt.