Die Rache der Weihnachtsgans

Meine Schwiegereltern hatten am 2. Weihnachtstag die gesamte Familie eingeladen und es sollte für 15 Personen Gans geben. Aus irgendeinem Grund hat mein Schwiegervater eine ganze Gans sowie einige Gänsekeulen gekauft. Ich bin also davon ausgegangen, dass die Gans auch im Ganzen gebraten werden sollte, damit man sie so am Tisch präsentieren könne. Und in einem Anfall von Größenwahn schlug ich vor, die Zubereitung des Vogels zu übernehmen, das wäre für mich gar kein Problem. Es kam jedoch alles ganz anders. Denn immer wenn man denkt, man ist der Held der Küche, lernt man Demut!

Nach einer unruhigen Nacht stand ich um 8 Uhr auf und schob das Tier in unseren Dampfgarer. Dieser ist relativ hoch im Schrank eingebaut, damit man sich nicht bücken muss. Die Gans passte mit ihren 5 Kilo gerade so auf einem Gitter in den Ofen. Unter dem Gitter befand sich eine passende, jedoch relativ flache Schale.

Nach 2 Stunden im Dampf war das Blech komplett voll gelaufen und ich dachte mir, diese Mischung aus Fett und Wasser könnte ich prima für eine Sauce verwenden. Ich zog also die Schale mit Tier langsam aus dem Ofen.
Als das Blech etwa zur Hälfte heraus ragte, gab es einen kleinen Ruck und die Schale kippte leicht vorn über. Etwa zwei Liter heißes Gänse-Fett-Wasser schwappten über meine Arme und die geöffnete Ofentür. Auf dem Weg zum Boden lief die Suppe am Mikrowellen-Backofen und der Wärmeschublade entlang. Von dort durch zwei weitere Schubladen auf den Boden. Das Fett war überall: auf meinen Schuhen, meiner Hose, an der Wand, irgendwie war es sogar zwischen den Glasscheiben der Öfen gelandet. Die wollte ich aber schon immer mal auseinander bauen und reinigen. Nur um zu wissen, wie das geht.

Als wir gerade den gröbsten Teil vom Boden, den Schränken und aus den Schubladen gewischt hatten, kam mein Schwiegervater vorbei und fragte, ob ich ihm den Sud der Weihnachtsgans für die Sauce geben könnte. Ich war kurz davor zu antworten, er käme leider etwas zu spät, jetzt hätte ich das Fett schon auf den Boden gekippt. Auf der anderen Seite auch gut, dass er nicht gerade neben mir stand, als ich die Schale aus dem Ofen zog.
Er fragte auch noch, ob ich die Gans vielleicht doch schon filetieren könnte. Also habe ich die Brüste (schon zu trocken) und Keulen (noch etwas zäh) ausgelöst und noch einmal in den 180 °C heißen Backofen gelegt, um sie wenigstens etwas knusprig zu bekommen.

Im Kopf habe ich während dessen folgende Rechnung aufgestellt:

Vor mir lagen etwa ein Kilo Gänsefleisch, die Gans hatte beim Kauf etwa fünf Kilo, Preis pro Kilo: 14,50 €. Also rund 70 € für zwei Keulen und Brüste. Aber es gab ja für das Geld noch jede Menge Fett oben drauf. Und da hat man lange was von, wenn man es schön in der Küche verteilt.

Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, ganze Vögel zu garen? In Amerika werden komplette Truthähne in riesigen Töpfen frittiert.
Apropos Amerika: mein Neffe war für ein Jahr dort und hatte eine interessante Methode die trockene Gänsebrust zu verspeisen. Er hat das Fleisch mit der Gabel in kleine Fäden zerrupft und diese mit Sauce getränkt. Pulled Goose sozusagen. Ich glaube, er fand es ganz gut.


Schließlich habe ich auch ein paar Dinge aus dem Schlamassel gelernt:

1. Es gibt Tage, da fühlt man sich in der Küche wie der letzte Idiot.
2. Eine Gans hat viel Fett. Richtig viel Fett.
3. Ich werde nie wieder ein ganzes Tier garen. Außer Fisch.
4. Ist die Brust perfekt, sind die Keulen zäh. Sind die Keulen gut, ist die Brust trocken.
5. Wenn man ein Backblech bis zum Rand mit Flüssigkeit füllt, kann man es nicht mehr tragen, ohne dass es schwappt.
6. Unsere Ofentür besteht aus drei Scheiben. Wenn man diese auseinander baut, sorgfältig reinigt, wieder zusammen setzt und das Licht im Backofen anstellt, sieht man, wie dreckig alles noch ist. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu doof, um Scheiben zu reinigen.

Was mich an der ganzen Geschichte eigentlich am meisten geärgert hat, ist, dass ich kein Foto von der Sauerei gemacht habe. Das muss in Zukunft besser werden. Die Kamera muss ein Foodblogger immer am Mann haben!