Erst Schleim dann fein - Kartoffelpüree

QLqJMWF2QkyPvB9Frw%nvQ_thumb_a5cc


"Kartoffelpüree darf man auf keinen Fall mit einem Stabmixer zubereiten, sonst erhält man einen schleimigen Kleister", sagen die Leute.

Das stimmt. Eigentlich.

Natürlich kann man einfach so viel Butter und Sahne ins Püree geben, bis man wiederum eine cremige Konsistenz erreicht, allerdings schmeckt das Püree dann nicht mehr so intensiv nach Kartoffeln. Auch bleibt immer ein latentes Gefühl von Klebrigem am Püree haften.

Gerade bei mehligen Kartoffeln ist die Konsistenz des Schleims sehr unangenehm, zumal man sogar noch die kleinen Stärke-Körnchen mit der Zunge ertasten kann. Die Stärke-Moleküle in Kartoffeln sind bis zu 1/10 mm (100 μm) groß; kein Problem für die feinfühlige Zunge.

Stärkekörnchen im Reis sind, nebenbei bemerkt, viel kleiner.

ozKVJig0TdyiaC3jV9oakA_thumb_a5c7


Das Problem mit der Stärke liegt darin, dass diese beim Kochen in Wasser extrem viel davon binden kann. Darum lassen sich Saucen so einfach mit etwas Kartoffelmehl andicken. Bei höheren Temperaturen entsteht eine Art Stärkekleister, mit dem man Tapeten an die Wand kleben kann.

Aber auch schon bei niedrigeren Temperaturen bindet Stärke zunächst ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Wasser, bis die Körnchen beim weiteren Erhitzen so stark aufquellen, dass sie irgendwann platzen. So werden Amylose und Amylopektin, die beiden Hauptbestandteile der Stärke, frei gegeben.

yIxhdve5QPG4Xj79wmNtaQ_thumb_a5c8


Mehlig kochende Kartoffeln enthalten mehr Stärke als festkochende Kartoffeln. Je höher der Stärke-Gehalt, desto mehr Wasser nimmt die Kartoffel beim Kochen auf, bis sie irgendwann zerfällt. Wobei der Unterschied des Stärkegehalts auf dem Papier recht unspektakulär wirkt: er variiert je nach Kartoffelsorte und Lagerung etwas zwischen 15 und 25 Prozent.

Die ideale Kartoffel für Püree

Das perfekte Kartoffelpüree sollte cremig sein mit einer möglichst feinen Konsistenz ohne zu große Stücke. Es geht eben nicht um Kartoffelstampf.
Dafür eignen sich mehlig kochende Kartoffeln mit hohem Stärkegehalt, wie beispielsweise die Sorte "Gala". Leider sind die Stärke-Körnchen im gekochten Zustand mit der Zunge zu ertasten. Das Püree ist also nicht so glatt, wie es sein müsste.

Hier kommt der Trick für ein super feines Püree, nur aus Kartoffeln und einer weiteren Zutat:

Backmalz!

Wie so oft in der Welt der kulinarischen Tricks, ist ein bestimmtes Enzym im Backmalz zuständig für die feine Konsistenz des Kartoffelpürees.

Die zu den Amylasen zugehörige Diastase wandelt die großen Stärke-Moleküle in Zucker (Mono- und Disaccharide) um. Dadurch wird das Püree natürlich auch etwas süßer, umso mehr, je länger man die Enzyme arbeiten lässt.

Wie auch beim Bierbrauen oder Schnaps-Brennen wird durch aktivierte Enzyme die Stärke in Zucker umgewandelt, welcher dann der später zugefügten Hefe als Nahrungsquelle dient. Beim Brennen von Kartoffelschnaps wird neben bakteriellen Fermenten auch Gerstenmalz als Starter verwendet. Also genau die Kombination, um die es hier geht: Kartoffeln und Backmalz.

Auch bei Pflanzen geht es stets darum, den Stärkespeicher unter bestimmten Umständen in energiereichen Zucker umzuwandeln (z.B. zum Wachsen). Hierfür benötigt die Pflanze lediglich warme Temperaturen und Feuchtigkeit. Daher fangen Getreidekörner nach der Aussaat an zu keimen.

Um die süße Note des Kartoffelpürees nicht zu stark hervor treten zu lassen, muss dieses vor dem Servieren noch einmal auf etwa 80 °C erwärmt werden. So denaturieren die Enzyme und stellen ihre Arbeit ein.

Bk7k8kreTemz2GCU8%VEAQ_thumb_a5cb


Kartoffelpüree für 4-6 Personen

800 g mehlig kochende Kartoffeln (z.B. Gala, mit sehr schön gelbem Fruchtfleisch).
Wasser mit 2 % Salz
4 g Backmalz - enzymaktiv

Die Kartoffeln schälen und grob würfeln. In leicht gesalzenem Wasser sehr weich kochen, bis sie fast zerfallen.
Durch ein Sieb gießen und in einen Mixbecher füllen.
Mit einem Pürierstab zu einem schleimigen Brei mixen. Keine Angst haben.
Wenn die Temperatur auf ca. 50 °C gefallen ist, das Backmalz untermischen und etwa 10 Minuten wirken lassen.

Man merkt schnell, wie sich die klebrige Struktur auflöst. Irgendwann lässt sich das Püree ganz leicht durchrühren.

Nun die Masse in einen Topf füllen und zum Servieren noch einmal auf etwa 80 °C erwärmen. Nach Wunsch mit Muskatnuss und Salz abschmecken.
Dazu passt übrigens auch etwas Zitronenabrieb.

Püree nach Heston Blumenthal

Eine weitere Möglichkeit, dem Püree eine geschmeidige Konsistenz zu verleihen, hat Heston Blumenthal in einem Video gezeigt. Er gart die geschälten und grob gewürfelten Kartoffeln zunächst etwa 30 Minuten bei 72 °C. Angeblich wird dadurch die Stärke in der Kartoffel "gefangen". Erst danach werden die Kartoffeln in kaltem Wasser neu angesetzt und weich gekocht.

Dies Erklärung der "stabilisierten Stärke" scheint mir jedoch nur zweitrangig für ein luftiges Püree. Vielmehr ist der Ansatz ähnlich der hier vorgestellten Backmalz-Version: Bei Temperaturen unter 75° C spalten auch die in der Kartoffel enthaltenen Enzyme die Stärke in Zucker.

Weniger Stärke - weniger Kleister.

Die Methode von Heston Blumenthal hat allerdings einen anderen Vorteil:

Durch das Vorgaren und spätere Abkühlen setzt ein Prozess namens Retrogradation ein. Die zuvor verkleisterte Stärke wird durch das Abkühlen wieder fest und die in der Stärke enthaltene Amylose ordnet sich enger aneinander.

Amylose besteht aus langen, geraden Ketten, die aus 1000-4500 Glucose-Molekülen bestehen.

Bei einem erneuten Erwärmen bleibt die Struktur nun stabiler. Ein Effekt, der bei der Herstellung von parboiled Reis und Glasnudeln genutzt wird.

Daher rührt in vielen Rezepten der Hinweis, für Bratkartoffeln, Kartoffelsalat oder ein Gratin "gekochte Kartoffeln vom Vortag" zu verwenden.

9RuCsDF2TQWo9jYA1qG+yQ_thumb_a5d2