Geschmackssinn

Ich weiß, dass ich nichts weiß!

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Bis Anfang des Jahres war meine Geschmacks- und Geruchs-Welt noch in Ordnung. Beides war sauber getrennt und so konnte ich daraus wunderbare, besserbisserische Sprüche ableiten. Hier ein paar Beispiel, die man eloquent an einem geselligen Kochabend einwerfen kann:

- Wir können bis zu 10.000 Düfte unterscheiden, aber nur eine gute Hand voll Geschmäcker. Es ist also weitaus informativer am Wein zu riechen, als ihn zu trinken.

- Wer das Aroma von Rosmarin mag, hält sich während des Essens am besten einen Zweig unter die Nase. Das bringt weitaus mehr, als ihn zusammen mit dem Steak in die Pfanne zu legen.

- Fett ist kein Geschmacks-, sondern ein Geruchsträger. Was wir schmecken ist in der Regel wasserlöslich, im Gegensatz zu Aromen, die sich in Fett oder Alkohol lösen.


Unterstützt wurden meine Sprüche durch markante Tests, die man hin und wieder im Fernsehen bewundern konnte. Man hielt jemandem die Nase zu und ließ ihn oder sie in eine Zwiebel beißen. Diese konnte ohne Einsatz des Riechkolbens* nicht von einem Apfel unterschieden werden.

* Obwohl ich das Wort Riechkolben auch als Methapher für "Nase" ganz sinnig finde, meine ich hier den Bulbus olfactorius.

Natürlich gab es Immer wieder Entdeckungen, die bisherige gustatorische Erkenntnisse in Frage stellten oder gar ad absurdum führten. Der Klassiker sind die Geschmackszonen auf der Zunge, die zumindest meine Generation noch im Schulunterricht auswendig lernen musste. Leider ist diese Zungenlandkarte jedoch völliger Quatsch und geht auf einen Übersetzungsfehler zurück. Auf der Zunge gibt es zwar Zonen, die Geschmack intensiver wahrnehmen als andere, diese Zonen unterscheiden sich jedoch nicht durch Rezeptoren für beispielsweise sauer in der einen und salzig in der anderen Zone.

Auch die anfänglich nur vier verschiedenen Geschmacksrichtungen wurden im Laufe der Zeit erweitert. Nach Entdeckung des fünften Geschmacks für Umami, also eine Reaktion auf bestimmte Aminosäuren, geht man heute davon aus, dass wir auch Geschmacks-Rezeptoren für fettig und metallisch besitzen.
Die fettige Geschmacksrichtung hat auch schon einen Namen: Oleogustisch. An zwei neu entdeckte Rezeptoren (GPR40 und GPR120) können sich freie Fettsäuren andocken und einen Reiz auslösen. Abschließend ist jedoch noch nicht geklärt, ob der Reiz für Fett als neuer Geschmackssinn festgelegt werden kann.

Gleiches gilt für das Erkennen und unterscheiden von Wasser. Möglicherweise ist unser Geschmacksinn für Sauer mit einem Sinn für wässrig verbunden.

Alles jedoch keine Erkenntnisse, die die Grundlage meines Wissens über Geschmack und Geruch zum Wanken bringen konnten. Bis ich einen Artikel mit dem Titel "Wir riechen auch mit der Zunge" las. Vor kurzem aber konnten Forscher Geruchs-Sensoren auf der Zunge nachweisen. Bei verschiedenen Tests mit Mäusen reagierten die Geschmackspapillen auf Geruchsstoffe. Weitere Riechsensoren befinden sich übrigens auch auf der Haut und in den Bronchien.

Bisher ging man davon aus, dass sich Geschmack und Geruch erst imm zentralen Nervensystem bzw. im Gehirn zum Aroma zusammenfügen. Diese Erkenntnis ist durch die Entdeckung der Geruchs-Sensoren zumindest ein paar neue Versuchsreihen wert.

Ich gehe mal an einem Gläschen Wein riechen. Mit der Zunge.