Weiße Pülverchen

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Das Bild lässt es erahnen, heute geht es um Salz, Mehl und Stärke.

Ein geschätzter Kollege eines Forums, in dem sich Männer mit erstaunlichem Eifer über Messer und Schleifsteine austauschen, bezeichnete einmal das Würzen mit salzigen Zutaten als "Shortcut". Eine vortreffliche Bezeichnung, denn beim Einsatz von Anchovis, Sojasoße oder Salzzitronen geht es meist darum, das stundenlange Kochen oder Marinieren abzukürzen. Außerdem wird einem Gericht neben dem salzigen Geschmack eine weitere Geschmacksrichtung zugefügt. Eine Bolognese-Sauce schmeckt durch Zugabe von ein paar Tropfen Fischsoße schon nach kurzer Kochzeit als wäre sie stundenlang geschmort worden. Umami sei Dank!

In unserer Tageszeitung las ich zu diesem Thema heute einen scheinbar guten Tipp unter der Überschrift "gewusst wie":

So können Sie Salz ersetzen: Einfach ein oder zwei Sardellenfilets dazugeben. Die Filets zerfallen und hinterlassen keinen Fischgeschmack. Alternativ können Sie die Soße mit Instantpulver für Gemüsebrühe oder Hefeextrakt würzen.

Eine Interessante Mischung aus Binsenweisheit und Unsinn. Wer glaubt, mit Sardellen könne man salzen, glaubt auch das rechteckige Fische mit Panierung durchs Meer treiben. Natürlich sind Sardellen nur salzig, wenn man sie vorher in Salz einlegt. Und ja, wenn ich Brühepulver oder Hefeextrakt in Soßen gebe, wird sie danach salziger, denn Brühe und Hefeextrakt enthalten Salz. Abgesehen davon, dass Hefeextrakt in Deutschland gar nicht so leicht zu bekommen ist, sofern man nicht eine gute Bezugsquelle für Marmite kennt.

Überhaupt zeigt sich im Zusammenhang mit Tipps und Tricks rund ums Kochen seit einiger Zeit eine interessante Tendenz bei vielen Rezepten. Wurde früher nur notiert, welche Arbeitsschritte zu erledigen sind, werden heute Erklärungen dazu geliefert. Ein Beispiel, welches ich vor ein paar Tagen auf der Spiegel-Website entdeckte. Die Autorin beschreibt die Zubereitung einer Béchamel:

In einem Topf die Butter aufschäumen lassen, das Mehl dazugeben und anschwitzen lassen, kräftig mit einem Schneebesen oder Kochlöffel bei mittlerer Hitze einige Minuten lang verrühren. Wichtig: Diesen Prozess nicht abkürzen, denn die Stärke des Mehls wird durch die langsame Hitze teilweise zu Dextrin, Einfachzucker, umgebaut, dadurch verliert sie den typischen Mehlgeschmack. Nur so bekommen wir zusammen mit der Milch genau die richtige Seidigkeit, die eine Béchamel ausmacht.

Das Problem ist nur, dass Stärke erst durch hohe, trockene Hitze zu Dextrinen abgebaut wird. Zudem sind Dextrine keine Einfachzucker, sondern ebenfalls lange Kohlenhydrat-Ketten AUS Einfachzuckern. Ich fege mal ein bisschen durch die Pülverchen:

Stärke ist aus vielen Einfachzuckern zusammengesetzt. Es hängen also viele Glucose-Moleküle aneinander. Wenn sich Glucosereste wie Äste an einem Baum verzweigen, bezeichnet man dieses Konglumerat als Amylopektin. So können 10.000 - 100.000 Einfachzucker aneinander hängen. In einem Stärkekorn ist etwa 75-85 % Amylopektin enthalten.

Der Rest eines Stärkekorns besteht aus Amylose. Dabei hängen die Einfachzucker in einer Reihe linear hintereinander. Diese Kette besteht aus 1.000 - 10.000 Glucoseresten.

Was passiert, wenn diese beiden Stärke-Moleküle erwärmt werden?

Verschiedene, stärkehaltige Produkte wie Reismehl, Mais- oder Kartoffelstärke werden in der klassischen Küche weltweit als Soßenbinder verwendet. Auch Mehl aus Getreide besteht zum größten Teil aus Stärke und wird daher genutzt, um Wasser am Fließen zu hindern.
In kaltem Wasser löst sich Stärke nicht. Sie beginnt aber zu quellen, das heißt, Wasser zu binden, sobald sie in einer Flüssigkeit erwärmt wird. Das passiert ab etwa 60 °C. Zunächst quillt das stark verzweigte Amylopektin-Molekül, sodass auch in die inneren Bereiche der Verästelung Wasser eindringt und gebunden wird. Zum Schluss des Erhitzens bei etwa 100 °C lösen sich dann auch komplexe Amylose-Moleküle.

Das erklärt, warum eine Mehlschwitze erst nach längerer Zeit ihren typischen Mehlgeschmack verliert. Es dauert eine Zeit, ehe die Stärke komplett gequollen ist und sich auch die letzten Moleküle bei etwa 100 °C gelöst haben. Geschmack ist übrigens genau genommen nicht das richtige Wort, denn wir können Stärkekörner auf der Zunge wahrnehmen, da sie relativ groß sind und unsere Zunge sehr sensibel ist. Es ist also eher ein mehliges Gefühl, was bei einer zu kurz gekochten Béchamel stört.

Nur der Vollständigkeit halber: Dextrine sind, wie schon geschrieben, keine Einfachzucker, sondern im Gegenteil ebenfalls unterschiedliche, aber recht lange Kohlenhydrat-Ketten. Man spricht von einem Poly- oder Oligosaccharidgemisch. Sofern man die Mehlschwitze nur mit Öl erhitzt, kann es sein, dass auch Dextrine entstehen, denn im Gegensatz zu Butter enthält Öl kein oder zumindest nur sehr wenig Wasser. Ein einfacherer Weg, Dextrine herzustellen, ist, das Mehl auf einem Backblech zu verteilen und längere Zeit bei etwa 200 °C im Ofen zu erhitzen, bis sich das Pulver leicht gelb färbt.