Schlesische Weihnachtsweißwurst

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"Ja, wer hat denn da so eine feine Wurst gemacht?" - in den Genuss dieser euphorischen Begrüßung käme eher der Hund meiner Schwester bei der Rückkehr nach einem Spaziergang, als mein Vater mit der Weißwurst aus unserer letzten Produktion im Gepäck.

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Diese erste Weißwurst-Qualitätskontrolle durch die Familie hat eine lange Tradition. Zu seiner aktiven Zeit als Metzgermeister, stellte mein Vater jedes Jahr im Dezember die beliebte Schlesische Weihnachtsweißwurst her. Die Produktion startete ab Mitte Dezember, steigerte sich langsam, um kurz vor Heiligabend Ihren Höhepunkt zu finden - sowohl quanti- als auch qualitativ.

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Man könnte auch sagen, dass hin und wieder eine Charge nicht ganz so perfekt wurde und dem Geschmackstest der Familie nicht standhielt. Der Testablauf war immer ähnlich und unterschied sich nur durch die Ankündigung meines Vaters. Wenn er extrem fröhlich, also fast schon nervig gut gelaunt, aus dem Schlachthaus in unsere Küche tänzelte und in leichtem Singsang trällerte: "So. Jetzt probiert mal DIESE Weißwurst", wussten wir schon vor der Geschmacksprobe, dass sie super geworden ist. Sagte er dagegen so etwas wie: "Probiert Ihr mal und sagt, was ihr denkt", war eigentlich schon von vornherein klar, dass die Wurst keine Begeisterungsstürme auslösen würde.

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Mittlerweile genießt mein Vater seinen Ruhestand und so treffen wir uns hin und wieder in meiner Kochschule, um dort kleine Mengen an Wurst zu produzieren. Bei jedem Treffen frage ich mich, was an dem Wort "kleine" falsch zu verstehen ist, sobald er seine Tüten mit Rückenspeck und Schweinedärmen auspackt. Trotzdem legen wir stets mit großem Elan los. Bis zur ersten Qualitätskontrolle.

Eine Weißwurst mit sehr feinem Brät, ist die Königsdisziplin des Wurstens. Mett in einen Darm stopfen kann jeder, aber eine Mischung aus Eis, Fett und Eiweiß so fein zu verarbeiten, dass alles später nach dem Erhitzen eine glatte und stabile Emulsion ergibt, trennt Mann von Maus. Je feiner das Brät, desto größer die Herausforderung bei der Zubereitung. Vor allem, wenn einem nur semi-professionelle Geräte zur Verfügung stehen.

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Rezept für Schlesische Weihnachtsweißwurst

800 g Kalbfleisch aus Schulter oder Nacken - grob gewürfelt und von großen Sehnen befreit
200 g Schweinerückenspeck - grob gewürfelt
250 g Eisschnee

Das Fleisch und der Speck sollten möglichst kalt, jedoch nicht gefroren sein.

3 g Kutterhilfsmittel (Diphosphat)
20 g Kochsalz

Gewürze

15 g Zitronenabrieb
4 g weißer Pfeffer
3 g Muskatblüte
je 1 g Cardamom und Koriandersaat
je 0,5 g Zimt, Ingwer, Nelken und Piment

Sofern die Gewürze ganz sind, diese fein mahlen.

Kalbfleisch und Speck separat mit der feinsten Scheibe (1-2 mm) wolfen. Das Kalbfleisch mit Salz, Diphosphat und den Gewürzen mischen und sehr fein kuttern. Währenddessen nach und nach den Rückenspeck und das Eis zugeben. Die Masse muss eine glatte und zähe Emulsion ergeben. Ein Klumpen von ca. 200 g sollte unter der Handfläche kleben bleiben. Die Temperatur mit einem Thermometer überprüfen, zum Schluss der Verarbeitung sollte das Brät ca. 17 °C warm sein.

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Die fertige Masse mit einem Wurstfüller in Schweinedärme füllen und zu Würsten mit ca. 80 g Inhalt abdrehen. Je zwei Stück ergeben das perfekte Paar und dürfen nicht getrennt werden.

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Bei 70 °C im Wasserbad oder Dampf etwa 30 min. garen und anschließend in brauner Butter anbraten. Mit Sauerkraut, Brot und süßem Senf servieren. Es kann so einfach sein. Ist es aber nicht.

Leider hatte unsere Wurst nicht die perfekte Konsistenz. Bei einem Testwürstchen, das wir direkt nach dem Kuttern in etwas Wasser gegart hatten, trennte sich beim Erwärmen das Fett vom Wasser. Zudem war das Brät nicht fein genug und hatte eher die Konsistenz einer groben Bratwurst. Wenn mein Vater mit dieser Wurst aus dem Schlachthaus gekommen wäre, hätte er sie sicherlich mit "Probiert Ihr mal und sagt, was ihr denkt" angekündigt.

Wobei man bei all dem die Kirche auch im Dorf lassen sollte, denn so schlecht war das Ergebnis auch nicht. Vor allem geschmacklich wusste die Wurst zu überzeugen. Da darf man auch mal die Wurst loben.

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