Kreuzfahrer

dFXD5yacS3ubGgVnELL6SA_thumb_a879


Historisch gesehen ist ein Kreuzfahrer der Teilnehmer eines Kreuzzuges. Zu erkennen waren die Ritter, die bis zum 13. Jahrhundert im weitesten Sinne christlich motivierte Kriege führten, an einem großen Kreuz auf der Rüstung.

Der moderne Kreuzfahrer ist ebenfalls an seiner Kleidung zu erkennen: er trägt weiße Socken und Sandalen, seine Waffe ist eine Kamera, die an einem Band mitten auf dem meist vorstehenden Bauch thront. Er tritt in Massen auf, denn wenn, wie in Tallin, an einem Tag vier Schiffe im Hafen ankommen, überrennen etwa 10.000 Kreuzfahrer die Stadt.

Nachdem so ein Schiff in den Hafen eingefahren ist, bilden sich also schnell Kreuzfahrer-Gruppen, die mit Bussen in die Innenstädte und Kirchen gekarrt werden. Der Anführer der Gruppe ist an einem Schild mit einer Zahl darauf zu erkennen. Meist hat das Schild die Form einer umgedrehten Träne. Warum auch immer.

0P9rSSRfSkagP4kfeLkZVA_thumb_a8a9


Wir waren 10 Tage auf einem der Schiffe mit 4 bunten Buchstaben und haben eine Tour durch die Ostsee unternommen. Wenn man mich fragt, wie die Reise war, muss ich zugeben, dass das ein annähernd perfekter Urlaub ist. Sofern man seinen Kopf ausschaltet und sich keine weiteren Gedanken um irgendwas macht. Aber gerade das macht ja einen guten Urlaub aus, dass man sich einfach mal keine Gedanken macht.

Aber es soll hier nicht um Luftverschmutzung oder die Probleme des Massentourismus gehen, sondern um Kulinarik. Da bietet eine Kreuzfahrt erstaunlich viel Spannendes.

NuqjRxIwTAa%ohaD8f2nvQ_thumb_a953


Für den reibungslosen Ablauf der Reise mit etwa 2300 Passagieren sind etwa 600 Personen zuständig. Davon arbeiten etwa 150 in den Küchen und im Service. Um einen kleinen Einblick in den Küchenbereich zu bekommen, haben wir an einer Küchentour teilgenommen. Leider durfte dabei nicht fotografiert werden. Keine Ahnung, was man dabei ausspionieren könnte.
Alles streng geheim.

twnuBV3nTSGzmRVbJTSKbQ_thumb_a9d0


Um den Text trotzdem optisch trotzdem etwas aufzulockern, habe ich daher ein paar Bilder der Orte, die wir besucht haben, eingefügt. Zum Beispiel das wunderschöne St. Petersburg mit der Kunstkammer, dem ältesten Museum Russlands.

X4U9Zx71SimFC0FkAinjkw_thumb_a916


Doch zurück zur Kulinarik.

Man kann in den verschiedenen Restaurants auf dem Schiff fast rund um die Uhr essen. Das Schlimme ist, dass man nach ein paar Tagen auch rund um die Uhr Hunger hat. Das scheint etwas mit dem Pawlowschen Hund zu tun zu haben: man betritt ein großes Schiff und bekommt direkt Hunger. Dass der Besuch der großen Buffets im Preis der Reise enthalten ist, macht die Sache natürlich nicht besser. Im Falle unserer pubertierenden Kinder mag es noch Vorteile haben, den nicht unerheblichen Kostenfaktor der täglichen Mahlzeiten gedeckt zu sehen. Die meisten Erwachsenen dagegen brauchen sicherlich nicht unbedingt 3-4 Mahlzeiten am Tag, um den nötigen Kalorienbedarf zu decken.

An Seetagen, wenn keine Stadt erobert werden kann, sind alle Passagiere den ganzen Tag an Bord. Eine angespannte Situation für die Bord-Mannschaft, denn da die Restaurants eben nur fast rund um die Uhr geöffnet haben, müssen die Reisenden zu gewissen Zeiten gastronomisch beruhigt und besänftigt werden. Also gibt es zwischen 13:30 Uhr und 14 Uhr (KEIN Restaurant ist geöffnet!) eine Kleinigkeit auf dem Sonnendeck. Also beispielsweise zwei bis drei Pulled-Pork-Burger pro Person damit Niemand verhungert.

Auf einem Bewertungsportal von Kreuzfahrten schrieb jemand: "Man muss Menschen mögen." Was für eine treffende Alliteration.

a8yYyg5YTy6vD8HRXlvLWw_thumb_a869


Um täglich die enormen Mengen an Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen, bedarf es einer ausgefeilten Logistik. Vier Wochen vor der Reise müssen alle Zutaten bestellt werden. Zwar kennt man zu diesem Zeitpunkt ungefähr die Buchungen und somit Personenzahl an Bord, allerdings macht es einen Unterschied, ob die Reise während der Sommerferien für vier Tage zu den Balearen geht oder im Herbst in die Fjorde Norwegens. Auf einer der beiden Reisen wird mehr gegessen und Bier getrunken. Viel mehr! Somit ist die 4-Tages-Mallorca-Schiffsreise eine der beliebtesten bei der Crew.

0AwP7nrQTEmuWK6WjFu9sg_thumb_a88a


Apropos Bier: Um eine Meuterei zu vermeiden, sollten manche Dinge auf dem Schiff niemals ausgehen. Man bestellt also vor der Reise lieber etwas mehr, als zu wenig.

Ansonsten werden die Abläufe auf dem Schiff von extremen Hygiene-Vorschriften begleitet. Denn natürlich ist die Infektionsgefahr auf so engem Raum beträchtlich. Es wird also desinfiziert, was das die Sprüh-Pumpen hergeben. Auch während unserer Küchenführung galten strenge Vorschriften.

BQs2LcahSP+m7z42s1H+Hw_thumb_a99a


Vielleicht wollte der Küchenchef uns aber auch einfach nur ein bisschen veräppeln. In der Küche herrscht oft ein etwas schräger Humor.

Auf dem Schiff kommen erstaunlicherweise so gut wie keine Fertigprodukte zum Einsatz. Lediglich Brot und Brötchen werden täglich frisch aus verschiedenen Backmischungen hergestellt. Entsprechend groß ist der Umfang an Küchenausstattung und Lagerräumen. Die verschiedenen Bereiche eines Restaurants sind auf die Decks des Schiffs verteilt. Unten auf Deck 3 ist das Lager für alle Lebensmittel. Dabei wird penibel getrennt: Obst, Gemüse (noch einmal getrennt in Wachstum oberhalb und unterhalb der Erde), Milchprodukte, Fleisch und so weiter.

oqfQsYluTdK1o0dtAEnMZQ_thumb_a9b6


Je höher es im Schiff geht, desto weiter sind die Lebensmittel dann verarbeitet, bis sie schließlich als fertige Speisen in den Restaurants auf den Decks 9 bis 11 landen - grob gesagt.

3rTY7fFVSHmJudWlD+RwmA_thumb_a9cf


Für einen Koch sind die begehrtesten Jobs im Gourmet-Restaurant auf Deck 10, da hier auf hohem Niveau gekocht wird. Alle 1-2 Tage wird ein neues 6-Gänge-Menü kreiert und die Zutaten hierfür werden durch Einkäufe auf den jeweiligen Märkten der Hafenstädte ergänzt. Wir haben uns am letzten Reisetag das Farewell-Menü mit 8-Gängen ausgesucht und waren sehr angetan.

Ein Blick auf das komplette Menü auf Instagram (-> hier klicken).

Außerdem ist das Restaurant eine Oase der Ruhe. Das Menü kostet 45 €, was an sich ein Spottpreis für 8 Gänge ist, aber es steht natürlich in Konkurrenz zu den anderen Buffet-Restaurants, deren Besuch im Preis der Reise inbegriffen ist.

Unser Fazit:

Das war ein toller Urlaub. Es ist nicht so einfach, die unterschiedlichen Interessen unserer Kinder (11 und 15 Jahre) mit unseren zu vereinen, aber auf einem Schiff gelingt dies erstaunlich gut. Außerdem hatten die beiden wahnsinnig viel Spaß bei den kulturellen Ausflügen.

IAPrI5P1RIaO5azng9u+ag_thumb_a896


Dies ist sicherlich auch der Grund, warum Kreuzfahrten so erfolgreich sind: sie vereinen Jung und Alt durch alle Bevölkerungsschichten hindurch*. Spätestens am Buffet sind alle gleich.

Es wird vielleicht nicht lange dauern, bis das erste Schiff mit Senioren-Deck und Kindergarten in See sticht. Am Nachbartisch beim Abendessen hat ein älterer Gast vorgerechnet, dass es günstiger sei, auf dem Schiff zu leben, als in einem Altersheim. Außerdem wäre die Krankenversorgung hervorragend, man bliebe im Alter mobil und sähe was von der Welt. Zumindest vom Balkon aus.

Und nicht zuletzt ist das Essen besser. Viel besser.

* Am letzten Tag der Reise werden traditionell einige Dinge versteigert, darunter zum Beispiel ein paar Badehandtücher mit Schiffs-Logo darauf. Man erzählte, dass einmal 18.000 € für so ein Handtuch geboten wurden. Sicherlich fragten sich einige auf dem Schiff: „Warum soll ich die Dinger ersteigern, ich habe sie sowieso schon in meinen Koffer gepackt.“

zWY3AeloSf2LTzldAZwOQw_thumb_a8ab