Von Methanol und Acrylamid

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Meine Schwester hat mir eine Tasse aus dem umfangreichen Merchandising-Sortiment von Dieter Nuhr geschenkt. Mittlerweile ist der auf der Tasse gedruckte Spruch schon 20 Jahre alt, aber immer noch aktuell.
Auch umgedreht gewinnt der Satz an Spannung: "Wenn man die Fresse nicht halten kann, einfach mal Ahnung haben!"

Wobei wir bei zwei im weitesten Sinne kulinarischen Themen sind, die mich in der letzten Zeit beschäftigt haben:

1. Anordnung der EU: Das Ende der extra-knusprigen Pommes

So stand es heute nicht in der Bild, sondern der FAZ. Es geht um Acrylamid, welches im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Aber die Sorge um krosse Fritten ist unbegründet. Abgesehen davon, dass Acrylamid auch schon bei niedrigen Temperaturen weit unter den von der EU bestimmten Grenze (168 °C) entsteht, werden Kartoffeln auch bei geringer Hitze knusprig. Im Prinzip kann man sie in dünnen Scheiben auch in der Sonne trocknen. In erster Linie bedeutet "knusprig", dass kein oder nur wenig Wasser enthalten ist.

Etwas ganz Anderes ist es, wenn es um den Geschmack geht.

Acrylamid entsteht als Nebenprodukt bei der Maillard-Reaktion und zwar sprunghaft ab etwa 170 °C. Dabei reagiert Asparagin unter der hohen Hitze mit Zucker. Entdeckt wurde dieser Stoff schon Anfang des 19. Jahrhunderts, als man Spargel-Saft verdampfte und zwei kristallartige Stoffe übrig blieben: eine zuckerartige Substanz sowie eine salzartige. Letztere wurde einige Jahrzehnte später als Asparagin-Säure identifiziert.

Asparagin kommt in jedem eiweißhaltigen Lebensmittel vor und immer wenn sich dann zudem ein hoher Anteil an Traubenzucker darin befindet, entsteht unter hoher Temperatur Acrylamid.

Leider ist das meistens ziemlich lecker: stark geröstete Espresso-Bohnen, dunkle Brotkruste, Malzbier und sogar Muckefuck wären nicht annähernd so interessant, wenn man auf die Bräunung verzichten würde.

Es ist also nur konsequent, dass Starbucks auf die Krebsgefahr bei Kaffee-Genuss hinweisen muss. Über den Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme lässt sich sicherlich ausgiebig diskutieren.

Wer übrigens die Fresse nicht halten kann und gut informiert in die nächste Debatte starten möchte, hier der Link zur entsprechenden EU-Verordnung (-> klicken).


2. Mehr als 80 Menschen sterben an selbstgebranntem Schnaps

Der angeführte Titel war heute ebenfalls eine Schlagzeile der FAZ. Berichtet wurde über einen Vorfall auf Java in Indonesien. Seltsam fand ich allerdings folgende Sätze, die auch in fast allen anderen Berichten über das Thema zu finden waren:

"Deshalb kaufen viele Menschen Alkohol aus Schwarzbrennereien. Häufig wird dabei Methanol verwendet, das hoch giftig wirken kann."

Ich möchte nicht pingelig sein, aber bei der Herstellung von billigem Schnaps wird sicherlich kein Methanol verwendet. Methanol, früher Holzgeist genannt, benötigt man beispielsweise, um Formaldehyd oder Biodiesel herzustellen.

Das Problem, warum immer wieder Menschen durch Methanol vergiftet werden, liegt eher in folgendem Umstand:

Beim Brennen von Schnaps, muss man den Vorlauf, also das Destillat, welches zu Beginn entsteht, vom Hauptlauf, dem genussfähigen Brannt, trennen.

Methanol entsteht beim Gärprozess durch die Spaltung von Pektin. Ein hoher Anteil an Pektin ist in den festen Bestandteilen von Pflanzen, also auch in Schalen und Stängeln von Trauben, Kartoffeln oder Äpfeln. Beim Destillieren des vergorenen Trebers konzentriert sich der Alkohol-Gehalt des Destillats, da man Alkohol von Wasser trennt.

Der Siedepunkt von Methanol liegt bei 64,6 °C. Ethanol dagegen siedet bei 78,4 ° C.

Der Vorlauf besteht durch die langsam steigende Temperatur aus einer Mischung aus Methanol und Ethanol. Diese Mischung muss von einem gewissenhaften Brenner weggeschüttet oder noch einmal gebrannt werden, um das enthaltene Ethanol zu gewinnen.

Wenn man einfach nicht so genau zwischen Vor- und Hauptlauf trennt, hat man mengenmäßig mehr Schnaps. In Ländern, in denen Alkohol sehr teuer ist, kann sich das also für den Schwarzbrenner lohnen. Mit dem Resultat, dass immer wieder Menschen durch den Konsum dieser Erzeugnisse erblinden oder sogar sterben.

Die Sorge meines Freundes Felix, der kürzlich mein Gin-Rezept ausprobiert hat, war hinsichtlich der Angst vor Methanol übrigens unbegründet. Für dieses Rezept muss man kein Auge riskieren,
da es sich dabei um eine reine Mazeration handelt. In dem verwendeten Wodka ist kein Methanol enthalten, somit entsteht dieses auch nicht durch Erwärmen oder erneutes Destillieren.

Der Gin war übrigens sehr lecker.