Kohl-Fond

rlI4t1HNSnS3dPtC3MPITA_thumb_a59e


Nach der prophezeiten kleinen Kälte-Welle, die uns noch bevor steht, geht es danach hoffentlich mit großen Schritten Richtung Frühling. So nutze ich die Temperaturen für kleine, den Winter vertreibende Kohl-Rezepte.

Der heute vorgestellte Kohl-Fond wurde inspiriert durch meine Kindheitserinnerung an den Geschmack einer Kohl-Roulade.
Darauf kam ich wiederum durch ein Gericht, welches wir vor ein paar Tagen bei unserem Besuch im Restaurant Aqua serviert bekamen. Beim probieren eines Kohl-Dashi-Suds habe ich mich gefühlt wie der Restaurant-Tester Anton Ego als ihm Rémy, die Ratte, mit einem Ratatouille in seine Kindheit versetzt.

Der Kohl-Dashi-Sud hat mich nachhaltig beeindruckt, so dass ich mit dieser Idee ein bisschen experimentiert habe.
Hier und heute geht es zunächst um die Essenz, sozusagen die Seele der Kohlroulade.

VjKi3Iq0SUSJUtVcp6nnZA_thumb_a59a


Der Einfluss der japanischen Küche ist mittlerweile in vielen Restaurants angekommen und hat zum Glück die eingetretenen Sushi-Pfade verlassen. Dashi (das, der oder die Dashi?), eine klassische, japanische Brühe wird mit Bonito-Flocken und Kombu-Algen angesetzt. Der Bonito stammt aus der Familie der Thunfische und Makrelen und wird zunächst sehr aufwändig bearbeitet, bis aus ihm feinste Flocken gehobelt werden können. Ein Bearbeitungsschritt ist das mehrfache Räuchern des filetierten Fisch-Filets, gefolgt von langen Fermentations-Prozessen.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Kohl-Dashi-Sud des Aqua-Gerichts mit den Zutaten des Dashi zubereitet wurde oder ob der Name nur an Sven Elverfelds Inspiration dazu erinnern sollte.
Der Sud schmecke fantastisch und zwar genau wie die dünne Sauce, die immer entstand, wenn bei der Zubereitung die Kohlrouladen scharf angebraten und dann lange geschmort wurden. Hierfür wurde nur etwas Wasser und Salz zugefügt.

So entstand also die Idee, aus Weißkohl und geräuchertem Schweine-Bauch einen Fond zuzubereiten. Also die europäische Dashi-Version. Weißkohl als Ersatz für Kombu-Algen und geräucherter Schweinebauch anstelle der Bonito-Flocken.

Im hier vorgestellten Kohl-Sud liefert der Kohl neben Umami auch einen großen Anteil an Bitterstoffen. Sie entstehen, wenn die Blätter verletzt werden. Dies aktiviert ein Enzym (Myrosinase), welches Glucosinolate in Glucose spaltet und instabile Schwefelverbindungen entstehen lässt, die in verschiedene kohltypische Aromen zerfallen. Ein ähnlicher Vorgang, der auch bei der Herstellung von Senf für dessen Schärfe verantwortlich ist.

Durch einen Trick lässt sich dieser Prozess abmildern: Der möglichst unverletzte Kohl wird im Ganzen gegrillt, bis die äußeren Blätter schwarz sind. Entfernt man diese, hat der Kohl zum einen die Röstaromen angenommen, zum anderen wird das Enzym durch die Temperatur deaktiviert. Der Geschmack des Kohls ist dadurch weitaus milder.*

* Mein Buchtipp: Aroma Gemüse von Vierich / Vilgis

ivz0UiYvRFmeSVrHsyhFwg_thumb_a5a0


Kohl-Fond - Zubereitung

1 kleiner Weißkohl
100 g geräucherter Schweinebauch - grob gewürfelt
250 g Champignons
50 ml Soja-Sauce
1 l Wasser

Den Kohl halbieren, die dicken äußeren (oft nitrathaltigen) Blätter entfernen und eine Hälfte im Backofen unter dem Grill etwa 30 min. rösten. Die äußeren Blätter sollten kräftig gebräunt sein. Den Rest des Kohls für Krautsalat o.ä. verwenden.

Den Kohl in einen Schnellkochtopf geben und den Schweinebauch, die grob zerkleinerten Champignons, Sojasauce und Wasser zufügen. Den Deckel verschließen und alles bei vollem Druck 60 Minuten garen. Den Druck abbauen lassen.
Den Schnellkochtopf öffnen und den Fond durch ein Sieb gießen. Noch heiß in ein verschließbares, steriles Glas füllen und abkühlen lassen. Bis zur Verwendung maximal eine Woche im Kühlschrank aufbewahren.

Kohl-Jus aus Kohl-Fond als Sauce für ein Gericht

In einem Topf 2 EL Zucker kräftig karamellisieren lassen und 500 ml Fond dazu gießen. Auf die Hälfte reduzieren. Ein TL Stärke mit 50 ml kaltem Wasser mischen und nach und nach in den sprudelnd kochenden Fond geben bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Zum Schluss optional etwas kalte Butter in die nicht mehr kochende Sauce mixen.

Ein Tipp:

Je häufiger der Kohl-Fond wieder aufgewärmt oder -gekocht wird, desto mehr verlieren sich die bitteren, kohltypischen Aromen. Dagegen verstärken sich herzhafte Umami-Noten. Deswegen schmeckten die nochmal aufgewärmten Kohlrouladen meiner Oma am nächsten Tag auch immer am besten.

Nv2ck99pQ+e%S%X1Zyu0CA_thumb_a599

Menü mit 5 Geschmacksrichtungen - Vorspeise: Umami-Soufflé

NSzh0NJaSuO7YuPOrgSwjg_thumb_a40d


Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel geschrieben, der sich mit unserem Geruchs- und Geschmackssinn beschäftigt. Beim Kochen und dem damit verbundenen Abschmecken ist häufig der erste Gedanke, das Gericht möglichst harmonisch zu würzen. Man versucht also, die verschiedenen und im Gericht vorkommenden Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, bitter und umami) in Einklang zu bringen.

Wer dieses Abschmecken auf einfache Art ausprobieren möchte, stellt eine Vinaigrette aus Essig (sauer), Zucker (süß), Soja-Sauce oder Tomatenmark (Umami), etwas Grapefruitsaft (bitter) sowie Salz her. Danach mit etwas Senf emulgieren und mit Öl aufmixen. Schließlich mit einem Salatblatt probieren.
Das Ziel ist hierbei, ein Dressing herzustellen, welches zwar kräftig, aber harmonisch und ausgeglichen schmeckt.

Man kann sich aber auch für eine Richtung entscheiden und hier bis an die Grenze gehen.

Dies ist meiner Meinung nach der schwierigere Weg, da man polarisiert und auch schnell die vorgegebene Grenze überschreitet. Mein Dank geht an "Dat Kochlabor", die Männer-Kochrunde, bei der ich regelmäßig teilnehme. Hier konnte ich das Menü mit tatkräftiger Unterstützung ausprobieren.

Fünf Gänge repräsentieren je eine der fünf Geschmacksrichtungen. Diese steht klar im Vordergrund. Im ersten Gang ein Geschmack namens "Umami", ausgelöst unter anderem durch das berühmt und auch berüchtigte Salz der Glutaminsäure, auch Glutamat genannt.

1. Gang - die Vorspeise: ein Umami-Soufflé

Dieser Gang sollte so puristisch wie möglich sein. Ein Soufflé bietet sich daher schon aufgrund der eingeschränkten Servier- und Anrichtemöglichkeit an. Das Backwerk muss in der Form bleiben, um in voller, luftiger Pracht den Esstisch zu erreichen.

Man könnte überlegen, das Soufflé zusammen mit einem kleinen Stück Roquefort-Käse zu servieren, denn dieser hat von allen produzierten Lebensmitteln* den höchsten Glutamat-Gehalt (1280 mg pro 100 g Käse). Die Schimmel-Kulturen für diesen Käse werden auf altem Roggenbrot gezüchtet, welches dann fein gemahlen bei der Produktion Verwendung findet.

Allerdings wäre Käse als Vorspeise schon etwas ungewöhnlich.

* Mit "produzierten Lebensmitteln" meine ich nicht Marmite, Aromat oder Brühepulver.

KwuziftURNqRkmt34ijP%A_thumb_a47d


Ein anderer Käse versteckt sich jedoch direkt im Soufflé. Die verwendete Milch wird mit Parmesan gewürzt. Auch dieser ist eine Glutamat-Bombe. Ein guter Tipp ist hierbei übrigens, nur die harte Schale des Käses in der Flüssigkeit köcheln zu lassen. Diese nimmt dann zwar den Geschmack an, bekommt aber nicht die krümelige Konsistenz, würde man den Käse hinein reiben.

Damit das Thema "Umami" auch wirklich überzeugend interpretiert wird, köcheln in der Milch mit Sardellen, getrockneten Tomaten und Pilzen weitere Glutamat-Bomben. Zum Schluss wird mit Soja-und einem Spritzer Fisch-Sauce abgeschmeckt.

Nicht zuletzt enthalten auch die Eier und das Mehl für den Teig Glutamat. Der Name "Gluten" für das Klebereiweiß im Mehl ist nicht zufällig gewählt.

Das Soufflé wird, bis auf eine Prise zum Steifschlagen des Eiklars, nicht zusätzlich gesalzen, denn der Geschmack "salzig" sollte nicht ins Zentrum rücken. Sonst könnte man ja auch ein Gläschen Soja-Sauce oder eine Sardelle als Vorspeise servieren.

Zum Rezept:

Umami_Souffle

UCQT3H3VSiGYVojXLJmhBg_thumb_a460