Quo vadis culinaris? - Teil 2

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Manchmal liegt Obst oder Gemüse wie zufällig in der Küche herum und ergibt doch ein spannendes Arrangement. Dies kann so manche Assoziationen hervorrufen und man denkt sich: "Hey, das sieht ja aus wie ein Gesicht! So könnte ich doch einen Teller anrichten."

So oder so ähnlich muss es sich beim Zusammenstellen des Sorbet-Ganges im Restaurant Ikarus zugetragen haben.

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Wie schon im ersten Teil dieses Artikels sinniere ich ein bisschen über die Zukunft der hohen Kulinarik. Wie hat sie sich entwickelt und wo geht die Reise hin?

Anja und ich waren in Salzburg und besuchten das Restaurant Ikarus im Hangar 7. Dort wechselt jeden Monat das Menü, denn es wird jeweils von und mit einem Gastkoch zusammengestellt. Bei unserem Besuch war David Kinch vom Restaurant Manresa der auserwählte Koch.

Ich war ziemlich gespannt darauf, da ich ihn in der Netfix-Serie "The Mind of a Chef" gesehen hatte. Kinch ist ein Küchenphilosoph, der in den Interviews sehr besonnen und nachdenklich wirkt. Nicht ohne Grund. Durch ein Feuer wurde sein Restaurant vor ein paar Jahren fast komplett zerstört und so hatte er während des Aufbaus viel Zeit, um über Gott und die Welt nachzudenken. Leider schlugen die Flammen vor kurzem erneut zu. Es war ihm also nicht möglich zum Planen des Menüs nach Salzburg zu fliegen. Er hatte anscheinend nicht ganz einfache Gespräche mit der Feuerversicherung vor sich.

Der Konflikt zwischen Regionalität und Kombination der Länder-Küchen


Wie transportiert man nun die Idee eines Menüs mit verschiedenen Gerichten von Kalifornien nach Salzburg?

Rene Redzepi vom Restaurant Noma nennt die Essenz seiner Küche "Zeit und Ort". Neben der Lage ist also die Jahreszeit ausschlaggebend für das, was auf den Teller kommt. Als er vor einiger Zeit das Noma schloss, zog er um die Welt und eröffnete verschiedene Pop-Up-Restaurants unter anderem in Mexiko. Dort servierte er lokale Produkte wie Mais oder Insekten.

Kinch bewirtschaftet mit der Love Apple Farm einen eigenen Garten nur für das Restaurant. Sein Signature-Dish ist ein kleiner Salat-Teller mit Gemüse aus dem Garten. Nur das, was zu dem jeweiligen Zeitpunkt im Garten gerade wächst, wird verwendet. Diese Idee ist allerdings nicht neu, denn auch Michel Bras´ Gargouillou, ein Gemüse-Gericht, welches er 1978 zum ersten Mal servierte, spiegelt die Jahreszeit wieder.

Abgesehen von der geschmacksneutralen grünen Sauce, die etwas lieblos auf den Teller gegossen wurde, war das Gericht auch im Ikarus recht stimmig.

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Neben der Ernte aus seiner Gärtnerei lässt sich Kinch von der Nähe zum Pazifik inspirieren. Er lebt sozusagen von und mit dem Meer.

Der Trend, der sich in den hohen Küchen etabliert hat, ist eine Mischung aus Jagen und Sammeln auf der einen, sowie Ackerbau und Viehzucht auf der anderen Seite. Eigentlich nichts Neues würde ein Historiker sagen. Man fragt sich, woher die Köche noch die Zeit nehmen, um in Flora und Fauna umher zu schweifen.

Mittlerweile treibt all dies allerdings seltsame Blüten. Es gibt beispielsweise Misopaste aus dem Schwarzwald mit Sojabohnen vom Bodensee; Oder Garnelen aus Norddeutschland. Und ich meine keine Nordseekrabben.

Warum macht man das? Weil man es kann!

Manch ein Spitzenkoch denkt sich vielleicht: "Das ist mir zu kompliziert und außerdem möchte ich mich nicht einschränken. Ich mische einfach regional, japanisch und französisch."

In der Haute Cuisine ist oft eine Kombination aus asiatischer und europäischer Küche zu finden. Dashi ist die neue Hühnerbrühe, vielleicht auch, da sie so einfach herzustellen ist. Kombu-Algen, Bonito-Flocken, Mononatriumglutamat und Wasser. Fertig ist die Instant-Suppe. Entgegen dieser Entwicklung ist jedoch das Thema Regionalität immer noch aktuell. Auch da man sich der Umweltproblematik bei sehr langen Transportwegen und Verpackungen bewusst wird.

Vielleicht ist so die krude Zusammenstellung des Hauptgangs des Menüs im Ikarus zu erklären: Zunge, Spinat mit Muschelpulver und Schwarzer Knoblauch mit Datteln. Dazu Pfifferlinge. Doch dazu später mehr.

Brot und Butterwagen - die französische Tradition

Über allen Versuchen, die Hoch-Küche weiter zu entwickeln, schwebt der Geist von Paul Bocuse. Man kann sich noch so modern geben, am Ende rollt dann doch wieder der Käsewagen ins Restaurant.

Oder wie im Ikarus der Brot- und Butterwagen. Mit fünf Stückchen Butter und einem Brot. Ich will nicht ketzerisch sein, es befand sich auch noch ein kleines Körbchen mit zwei Mini-Baguette-Stangen darauf.

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Leider war weder das Brot noch die Butter selbstgemacht und das, obwohl David Kinch eine eigene Bäckerei betreibt und wir hier von einem Menü für 190 € reden.

Die Butterstücke wurden aber, so versicherte man uns, von einem französischen Bauern mit der Hand gerührt. Vielleicht sogar bei Vollmond? Sie unterschieden sich leider nur durch verschiedene, untergemischte Zutaten (von links nach rechts): Butter pur, mit Salz, mit Yuzo (schmeckt bitter), mit Algen (fischelt etwas) mit Piment d´Espelette (scharf).

Das ist doch eine gute Idee für einen Käsewagen: fünf Stück Camembert jeweils mit verschiedenen Kräutern und Gewürzen vermischt. Es kann so einfach sein.

Allerdings war das Sauerteigbrot auf andere Art faszinierend. Die Krume im Inneren war unfassbar heiß, die Kruste dagegen nur lauwarm. Fühlte sich verdächtig nach Mikrowelle an.

Warum liegt Blattgold auf einem Bio-Ei?

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Beim ersten Gang habe ich nicht verstanden, warum auf einem Bio-Ei, das in irgendeinem austauschbaren da geschmacklosen, grünen Pulver gewälzt wurde, ein Stück Blattgold liegt. Soll das Gold den Wert eines Hühnereis symbolisieren? Liegt am Strand von Kalifornien Blattgold herum?

Dazu gab es einen Löffel Imperial-Kaviar. Der schmeckte zwar fantastisch, aber zeigte doch die ganze Misere. Ein Ei als Vorspeise in einem 190 €-Menü ist dann doch etwas zu einfach, also packen wir mal lieber einen Löffel Kaviar dazu, mag sich die Geschäftsleitung des Restaurants gedacht haben.

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Ähnlich verhielt es sich mit den Zutaten des Fisch-Gangs, wobei hier eine zusätzliche Ungereimtheit Einzug hielt. Serviert wurde ein ordentliches Stück Wolfsbarsch-Filet, welches leider leicht übergart war. Das ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau, aber auch der Preis des Abends ist auf hohem Niveau. Der Fisch war großzügig belegt mit weißem Trüffel und lag auf einem Sahneschaum. Leider fehlte dem ganzen Gericht Säure, so dass es recht mächtig auftrat. Dies konnte auch eine weitere Zutat nicht ändern. Am Tisch wurde uns mit einer Pipette flüssige Koji-Butter über die Trüffelscheiben getropft.

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Koji (Aspergillus oryzae) ist eine Schimmelpilz-Kultur. In Asien wird damit Reis geimpft, um Sake herzustellen. Wenn man diesen Pilz mit Butter mischt, so schmeckt das leider total ekelhaft. Vor allem, wenn die Tropfen durch zu starkes Drücken auf die Pipette hier und da etwas größer (her)ausfallen.

Ehrlich gesagt habe ich auf diese Art von Spielchen mittlerweile auch keine Lust mehr.

Da wir schon bei seltsamen Zutaten sind. Der Hauptgang war, wie schon kurz erwähnt, ein Gericht mit Zunge, schwarzem Knoblauch und Spinatblättern, die mit Muschelpulver bestäubt wurden. Möglicherweise hat sich Kinch ein bisschen in die europäische Küche eingelesen und fand Rinderzunge spannend.

Für mich, als Sohn eines Metzgers, ist Rinderzunge allerdings überhaupt nicht spannend. Schon gar nicht, wenn die Haut nicht sauber entfernt wurde. Über Muschelpulver habe ich allerdings viel Gutes gelesen. Die Kundin eines Internet-Shops schrieb begeistert: "Mein Pferd hatte ein angelaufenes Fesselgelenk. Ich gab ihm am Tag ein Esslöffel Muschelpulver ins Futter und die Schwellung ließ nach einigen Tagen nach."

Begleitende Getränke

Da wir bei unserem Besuch auf alkoholische Getränke verzichteten, reizte Anja die alkoholfreie Menübegleitung. Für sportliche 54 € bekam sie 5 verschiedene Getränke serviert. Alle süß und immer ein wenig an die Brause des Restaurantinhaber erinnernd. Möglicherweise sah das Getränkeregal im Ikarus ähnlich aus, wie in einem gut sortierten Supermarkt.

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Warum werden begleitende Getränke nicht als Ergänzung zu den jeweiligen Gerichten gesehen? Zumal diese Idee schon vor einiger Zeit als einer der kulinarischen Trends für 2018 deklariert wurde. Stattdessen gibt es in einigen Restaurants einen Wasser-Sommelier. Ja, ich weiß, nach neuster Forschung kann man möglicherweise Wasser schmecken. Dies könnte an sauren, basischen oder mineralischen Bestandteilen des Wassers liegen. Aber wie man es schwenkt und wendet, es ist nur Wasser und mir persönlich reichen zur Auswahl zwei Sorten. Mit und ohne Kohlensäure.

Zum Döner trinke ich beispielsweise gern einen Ayran. Das harmoniert hervorragend.

Leider liegt der Focus immer noch auf Weinen, wenn es um die flüssige Speisebegleitung geht. Wie jeder weiß, erwirtschaftet das Restaurant seinen Gewinn nicht mit den Speisen, sondern mit den Getränken. Am Nebentisch im Ikarus haben das vier Herren auf die Spitze getrieben, so dass sich im Laufe des Abends etwa 20 Weingläser auf dem Tisch ansammelten. Wobei dort bis auf etwas Brot und Butter die Speisen völlig fehlten. Aber da war die Restaurant-Leitung bestimmt gar nicht so traurig, denn so ein Wein ist schneller entkorkt, als der Trüffel gehobelt ist.

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