Zucker oder Fett: Was schadet mehr?

Vor einigen Wochen habe ich in irgendeinem Boulevard-Magazin einen Artikel über irgendeine Foodbloggerin überflogen. Sie verzichte nun völlig auf Zucker und seitdem gehe es ihr so wahnsinnig gut.

Da war es richtig erholsam, nach all dem esoterischen Gefasel, ein paar Tage später einen interessanten Bericht auf Arte zu sehen.

In der etwa einstündigen Dokumentation mit dem Titel "Zucker oder Fett: Was schadet mehr?" aus dem Jahr 2014 geht es um einen wissenschaftlich begleiteten Versuch der eineiigen Zwillinge Chris und Xand Van Tulleken:
Chris, der in London lebt, ernährt sich dabei vier Wochen lang hauptsächlich von Kohlenhydraten, sein Bruder aus New York dagegen in erster Linie von Fett.

Wobei ich meine, dass die Diät von Xand annähernd zur Hälfte aus Eiweiß und Fett besteht, da er sowohl Fleisch als auch Käse und Eier verspeisen darf. Eine reine Fett-Diät wäre aber zugegebenermaßen einen Monat lang nur schwer auszuhalten.

Die Diät von Xand könnte man somit als klassische Low-Carb-Diät bezeichnen. Die Diät von Chris wiederum besteht dagegen hauptsächlich aus Kohlenhydraten in allen Variationen, also von langkettigen Molekülen wie Stärke bis hin zu Fructose und Glucose; Abgesehen von einer kleinen Menge Eiweiß aus verschiedenen Gemüsesorten oder Getreide.

Man könnte nun vorschnell annehmen, dass sich Chris am Ende des Versuchsmonats auf dem direkten Weg in die Diabetes befände, da allgemein propagiert wird, dass ein hoher Zuckerkonsum den Insulinspiegel derart negativ beeinflussen würde, dass dieser auf Dauer den Zuckergehalt im Blut nicht mehr regulieren könne. Xand dagegen werde mit dem hohen Anteil an gesättigten Fetten in seiner Nahrung sicher stark erhöhte Cholesterin-Werte erzeugen.

Das Ende des Diät-Monats zeigt jedoch ein erstaunliches Ergebnis:

Chris, der Zucker-Esser, hatte nach vier Wochen 1 kg Körpermasse abgenommen: jeweils 0,5 kg Muskelmasse und Fett.
Xand dagegen, der Fett-Esser verlor sogar 3,5 kg. Allerdings aufgeteilt in 2,5 kg Muskelmasse sowie 1 kg Fett.

Die Low-Carb bzw. Fett-Diät war also ein voller Erfolg, was das Abnehmen betrifft. Ein großes Problem war jedoch der Verlust von verhältnismäßig viel Muskelmasse. Man könnte dies damit erklären, dass zunächst der in den Muskeln gespeicherte Zucker verarbeitet wird, danach in Ermangelung an zugefügter Glucose auch das Muskeleiweiß. Auf Dauer sinkt dadurch im Alter und bei Erkrankungen die Lebenserwartung.

Allerdings muss man anmerken, dass beide Brüder während des Versuchs nur wenig Sport getrieben haben. Dies hätte den Muskelabbau sicherlich verzögert.

Weitere, unerwartete Ergebnisse brachte der Blut-Test zu Tage, der sowohl vor als auch nach dem Diät-Monat ausgewertet wurde:

Obwohl sich Xand hauptsächlich von gesättigten und ungesättigten Fetten ernährte, ist der Cholesterinwert bei beiden Brüder gleich geblieben. Es gab wenig, bis gar keine Veränderungen.

Der Schock für Xand kam dann jedoch bei der Auswertung des Insulin-Spiegels:

Da dem Körper von Xand nur noch wenig Kohlenhydrate dagegen aber viel Fett zur Verfügung standen, reagierte er nicht mehr so gut auf Insulin und hat zudem die Produktion von Glucose aus Muskeleiweiß erhöht. Muskeleiweiß wird dabei in Aminosäuren umgewandelt und diese in Glucose. Fett kann vom Körper dagegen nicht in Gluocose umgewandelt werden.
Erschreckend war der große Unterschied des Blutzuckerspiegels vor und nach der Low-Carb-Diät: innerhalb eines Monats stieg dieser bei Xand von 5,1 auf 5,9 und war somit nur noch 0,2 mmol/l von der Vorstufe zur Diabetes entfernt.

Die Diät hatte Xand also massiv geschadet. Auf Dauer könnte sein Körper aufhören, Insulin zu produzieren.

Chris´ Körper dagegen hatte nach einem Monat zuckerreicher Nahrung die Fähigkeit, Insulin zu produzieren, gesteigert. Also genau das Gegenteil dessen, was man hinlänglich annimmt. Vielleicht gewöhnte sich der Körper an die höhere Glucose-Zufuhr und lernte, damit umzugehen. Allerdings könnte aus gesundheitlicher Sicht auch dieser Umstand langfristig zu einem Problem werden.

Ein spannendes, kleines Experiment zeigte der Bericht am Ende:

Chris löffelte aus einer Schale mit Sahne und bemerkte, dass das Geschmackserlebnis so langweilig sei, dass man nach kurzer Zeit die Schale beiseite stellen würde. Gleiches gilt für eine Schale voller Zucker.

Ähnliches ist bei Experimenten mit Ratten bemerkt worden: sie überfressen sich nicht, wenn sie nur jeweils eine Sorte Nährstoffe zu sich nehmen.

Mischt man allerdings beide Zutaten, entsteht etwas, was so verlockend schmeckt, dass man sich zügeln muss, um nicht die Schale auszulöffeln. Genau darin liegt vielleicht auch der Grund, warum die westliche Bevölkerung immer dicker wird: Fertigprodukte bestehen größtenteils genau aus dieser Mischung Fett und Kohlenhydraten (im Verhältnis von etwa 50:50), die sonst so in der Natur übrigens nicht vorkommt. Sehr wohl jedoch in Eiscreme, Käsekuchen, Pizza oder Chips.

Fazit des Films

1. Mit dem Ziel eines Gewichtsverlusts wird eine einseitige Ernährung aus entweder Fett, Eiweiß oder sogar Zucker zu einem Erfolg auf der Waage führen. Das Risiko später zu erkranken steigt jedoch, denn der Körper wird auch Muskelmasse verlieren.

2. Verarbeitet man in Nahrungsmitteln Zucker und Fett in einem bestimmten Verhältnis, entsteht ein zwar leckeres jedoch auch süchtig machendes Produkt. Unser Körper verhält sich dann ähnlich we bei der Einnahme von Drogen. Er verlangt nach und nach eine höhere Dosis. Man wird also auf Dauer zunehmen.

Wer auf Dauer und vor allem gesund abnehmen oder sein Gewicht halten will, sollte auf industriell hergestellte Nahrung verzichten, Sport treiben und sich ausgewogen ernähren.
Aber das ist ja eigentlich nichts Neues, nur leider nicht so marktschreierisch, denn der Gewichtsverlust wird nicht so radikal wie beim "Biggest Loser" ausfallen.

Und als Diät-Tipp im Boulevard-Magazin taugt das Fazit ebenfalls nicht.