Saucenpraxis - Schritt 3: Die Flüssigkeit am Fließen hindern

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Wie schon ausführlich hier beschrieben (-> klicken), lassen sich Flüssigkeiten durch bestimmte Kohlenhydrate, Proteine und Fette andicken.

Die Gruppe der "Verdickungsmittel" nennt man Hydrokolloide (griech. hydro = Wasser; kolla = Leim). Sie umfassen sowohl Kohlenhydrate wie Stärke oder Pektine als auch Proteine wie Gelatine oder Kasein. Aber auch modifizierte Zusatzstoffe, die enzymatisch, bakteriell durch Reaktion mit Säuren oder noch kompliziertere Vorgänge hergestellt werden, zählen dazu.
Ziel ist in den meisten Fällen, ein Produkt herzustellen, welches möglichst lange und bei einem großen Temperaturspektrum die gewünschte Konsistenz annimmt. Auch Emulgatoren spielen hier eine große Rolle.

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Temperatur und Zeit

Die größte Schwierigkeit beim Andicken von Saucen besteht darin, dass die Konsistenz der Flüssigkeit immer abhängig von der Temperatur ist. Ein Kalbsfond ist annähernd schnittfest, wenn er im Kühlschrank gelagert wird, nach dem Erwärmen jedoch dünnflüssig. Auch Saucen, die viel Zucker enthalten, können in der heißen Pfanne die perfekte Konsistenz annehmen, auf einem kalten Teller jedoch sofort erstarren oder zumindest extrem klebrig und zähflüssig werden.
Ein weiterer Faktor ist das enthaltene Wasser oder, um es genauer zu definieren, dass Verhältnis zwischen Wasser und den enthaltenen weiteren Stoffen. Die Viskosität der Sauce kann sich durch Einkochen, also das Verdampfen des Wassers verändern.

Aus diesem Grund hat sich die Lebensmittelindustrie auf die Suche gemacht und allerlei Hilfsmittel entwickelt, die den Saucen möglichst unabhängig von der Temperatur und Zeit eine immer gleiche Konsistenz verleihen.
So weist Ketchup sowohl im Kühlschrank als auch bei Raumtemperatur ähnliche Fließeigenschaften auf. Leider sind die gesundheitlichen Folgen im besten Fall unerforscht. Zumal man sich vorstellen kann, dass manche Zusatzstoffe nicht nur die Feuchtigkeit im Lebensmittel binden, sondern auch im Darm unerwartete Reaktionen vollziehen.

Für den Hausgebrauch ist es unnötig, Produkte wie Xanthan oder Gellan zu verwenden und so kommt man meist schon mit einer guten Mehlschwitze oder etwas Kartoffelstärke zu einem hervorragenden Ergebnis.

Die Klassiker der Saucenbindung: Mais- und Kartoffelstärke

Rührt man etwas Stärke in kaltes Wasser, löst sich diese darin zwar nicht auf, die Stärke-Körnchen werden jedoch von einander auf Abstand gehalten. Gibt man dieses Stärkewasser zur Sauce, während diese kocht, dickt sie augenblicklich ein.

Stärke aus Getreide oder Kartoffeln besteht aus etwa 80 % aus Amylopektin und 20 % aus Amylose.

Amylose ist eine gerade Kette aus 1000 (Maisstärke) bis 4500 (Kartoffelstärke) Molekülen. Diese verhaken sich in heißen Flüssigkeiten miteinander und binden Wasser. So dickt die Sauce an.

Die unterschiedliche Länge der Moleküle erklärt auch die Unterschiede von Kartoffel- und Maisstärke:
In der gleichen Menge Maisstärke sind mehr Moleküle vorhanden, die sich miteinander verhaken können. Maisstärke dickt die Sauce also schneller an, als Kartoffelstärke.

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Allerdings spielt bei der Wahl des Verdickungsmittels die zu erzielende Saucenmenge eine entscheidende Rolle. Es gibt Produkte, die in der Lage sind, selbst bei geringer Menge, die der Sauce zugefügt wird, diese enorm einzudicken. Andere sind dagegen nicht so effektiv. Ein kleiner Saucenansatz aus Bratrückständen in einer Pfanne lässt sich gut mit etwas Butter abbinden. Die daraus gewonnene Menge an Sauce ist jedoch überschaubar.
Wer mehr Sauce benötigt, beispielsweise für Senfeier, oder ein Ragout, sollte zum Eindicken etwas Stärke oder eine Mehlschwitze verwenden.

Die wichtigsten klassischen und modernen Möglichkeiten, um Saucen zu binden als pdf:

Saucenbindung

Um dem Artikel zumindest ein kleines Rezept beizufügen, möchte ich jedem eine Mehlschwitze ans Herz legen. Egal ob man hierfür Mehl und Butter (-schmalz) nur kurz zu einer hellen Roux anschwitzt oder die Mischung etwa eine Stunde zu einer dunklen Roux köcheln lässt. Meiner Meinung nach wird dieses klassische Verdickungsmittel von vielen Köchen unterschätzt oder als banal bezeichnet.

Wer jedoch den Geschmack von knusprig braun gebackenem Brot liebt, wird verstehen, warum eine dunkle Mehlschwitze die Sauce nicht einfach nur andickt. Wer vorsichtig dosiert, wird zudem eine wunderbar geschmeidige Samtsauce damit herstellen können.

Nicht ohne Grund leitet sich der Name des allseits bekannten Geschmacksverstärkers "Glutamat" vom Klebereiweiß "Gluten" im Mehl ab. Und auch die Maillard-Reaktion, die hunderte hocharomatische Verbindungen hervorruft, ist der Grund, warum eine dunkle Brotkruste so gut schmeckt. Sie läuft immer dann ab, wenn Aminosäuren und Zucker bei Hitze zusammen reagieren. Was ist dagegen schon schnöde Stärke, die in Wasser angerührt wurde?

Rezept für eine weiße, blonde und dunkle Roux (Mehlschwitze)

250 g Fett oder Öl
300 g Mehl Typ 405

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Für eine weiße Roux verwende ich Butter. Diese bei milder Hitze schmelzen, das Mehl zufügen und ca. 5 min. zusammen anschwitzen. Der typische Mehlgeschmack sollte dann beseitigt sein.

Für eine blonde Roux nehme ich ebenfalls Butter, allerdings wird die Mehlschwitze bei wenig Hitze etwa 20 min. geköchelt, bis das Wasser in der Butter verdampft ist. Die Farbe ist nur unwesentlich dunkler als bei weißen Roux (auf dem folgenden Bild im mittleren Glas).

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Eine dunkle Roux sollte mit Butterschmalz zubereitet werden, da bei der hohen Hitze sonst das Kasein in der Butter verbrennt. Bei mäßiger Hitze beginnen und diese nach und nach erhöhen. Nach etwa 30-40 min. sollte das Mehl eine hellbraune Farbe angenommen haben und aromatisch duften.

Für die spätere Verwendung die Mehlschwitze in verschließbare Gläser füllen und im Kühlschrank aufbewahren.

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