Tipps zum Abschmecken

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Anfangs wollte ich in diesem Artikel nur einige Tipps zum Abschmecken geben. Ich habe jedoch mehr und mehr gemerkt, wie viele verschiedene Aspekte der Mensch beim Beurteilen von Speisen bewusst und unbewusst verarbeitet.

So ist der Artikel dann doch etwas umfangreicher geworden.

Wir nutzen alle Sinne, um festzustellen, ob eine Speise für uns wertvoll oder verdorben ist. Neben Geruchs- und Geschmackssinn, übermitteln uns Rezeptoren diverse weitere Informationen. Diese geben Hinweise über Textur, Temperatur, Schärfe und viele andere Eigenschaften der Nahrung. Ergänzt werden diese Informationen durch unseren Seh-, Tast- und Hörsinn.

Eine Möhre, die frisch aussieht und beim Hineinbeißen knackt, wird auch als nahrhaft und unverdorben registriert. Hier spielt der reine Geschmack manchmal nur eine untergeordnete Rolle.

Um einen guten Wein oder Whisky zu beurteilen, ist es eigentlich nicht notwendig, ihn zu trinken. Zu 90% lässt sich die Qualität allein durch den Geruch erkennen. Gegenüber 5 (+2) Geschmacksrichtungen, die wir unterscheiden können, stehen etwa 4000 Gerüche und Aromen.

Für einen überschaubaren Einstieg in die Welt des Abschmeckens beschränke ich mich daher erst einmal nur auf unseren Geschmacks-Sinn. Ein perfektes Übungsobjekt ist eine Vinaigrette, denn hier kann man alle 5 Richtungen unterbringen und versuchen, diese harmonisch aufeinander abzustimmen:

Essig nach Wahl- dieser liefert Säure
Zucker - zum Ausgleichen der Säure
Salz - eher kräftig salzen, es kommt ja noch Salat, Wasser und Öl hinzu
Senf - Schärfe (kein Geschmackssinn, aber dennoch interessant) und leichte Säure - außerdem dient der Senf als Emulgator, um Wasser und Öl zusammen zu bringen
Helle Soja-Sauce - salzig und umami
Ölivenöl - leicht bitter (je nach Sorte)

Das Olivenöl erst zum Schluss nach und nach hinzu fügen und dabei ständig mit einem Schneebesen rühren. Gibt man das Öl zu Beginn dazu, setzt es sich sofort oben ab und die Vinaigrette lässt sich nicht mehr abschmecken (Salz ist nicht fettlöslich). Zudem muss man es sehr stark mixen, um noch eine Emulsion zu erreichen und dabei fangen die ungesättigten Fette im Öl an zu oxidieren.

Zum Schluss ein Salatblatt in die Vinaigrette tunken und probieren. Jetzt mit den Mengen der o.a. Zutaten so lange experimentieren, bis eine harmonische Mischung entsteht. Das Verhältnis Essig zu Öl sollte etwas 1:3 betragen. Für verschiedene Variationen dann z.B. Essig durch Zitronensaft, Zucker durch Honig oder Senf durch Eigelb und Chili ersetzen. So ergeben sich hunderte von verschiedenen Dressings.


Reize beim Schmecken - gustatorisch und somatosensorisch

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Unser Geschmackssinn unterscheidet 5 (+2) Geschmacksrichtungen, die mit der Zuge und dem hinteren Rachenraum unterschieden werden (gustatorisch). Dies ist evolutionsbedingt:

1.) süß - als Hinweis auf energie- und kohlenhydratreiche Nahrung
2.) salzig - für ein Gleichgewicht unseres Elektrolytehaushalt
3.) sauer - als Warnsignal vor ätzenden Säuren oder unreifen Früchten
4.) bitter - als Warnsignal für giftige Substanzen
5.) umami - als Hinweis auf proteinreiche Nahrung. Entdeckt 1908 durch den Japaner Kikunae Ikeda, der aus Seetang Mononatriumglutamat extrahierte.

Diese 5 Richtungen werden auf der Zunge durch 4 verschiedene Papillen, in denen die Geschmacksknospen sitzen, unterschieden. Nach neuesten Erkenntnissen, ist es auch möglich, Fett und Wasser zu schmecken, daher die Angabe (+2). Die klassische Aufteilung der Zunge in Geschmackszonen ist übrigens widerlegt, man schmeckt z.B. sauer nicht nur mit der Zungenspitze.

Grundlagen zum Abschmecken:

1.) Der Zeitpunkt der Würzzugabe beim Kochen spielt eine wichtige Rolle. Das merkt man spätestens, wenn man in einem Brotteig oder im Kochwasser von Kartoffeln oder Nudeln das Salz vergisst. Manches lässt sich hinterher nicht ausgleichen.

2.) Die Hauptzutat gibt die Richtung vor. Zu Beginn mit wenig Zutaten arbeiten und den Original-Geschmack des Produkts im Fokus bewahren. Eine Brokkoli-Suppe sollte auch in erster Linie nach Brokkoli schmecken.

3.) Mit Mischungen aus den Geschmacksrichtungen würzen: Möchte ich z.B. süß und sauer zu einer Vinaigrette zufügen, verwende ich Orangensaft anstelle von Essig und Zucker. Grapefruit fügt zugleich sauren, süßen und bitteren Geschmack hinzu.

4.) Langsam herantasten und immer die Grund-Geschmacksrichtungen im Hinterkopf behalten. Nachwürzen geht einfacher, als Überwürztes abzumildern.

5.) Manchmal hilft ein kleiner zusätzlicher Reiz der Zunge, um den Geschmack zu intensivieren. Eine Prise Zucker an herzhafte Gerichte, etwas Butter in der Sauce oder ein kleiner Schuss Soja-Sauce zum Abrunden einer Süßspeise.

6.) Bei bestimmten Gerichten intensiviert langes Kochen den Geschmack. Es entsteht Glutamat (freie Glutaminsäure) und Kokumi (Mundfülle). Dies lässt sich nicht durch Zugabe von Gewürzen abkürzen und verbessert enorm den Geschmack eines Gulasch oder einer Bolognese. Wie sagt Frank Rosin immer so schön: „Würzen durch Kochen.“ Da ist schon was dran.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist nur ein Anfang. Ich werde hier hin und wieder Punkte ändern, hinzufügen, bearbeiten - wie auch immer. Das ist ja das Schöne am Internet.


Noch ein paar Anmerkungen zu Würzangaben in Rezepten.

Die Schwierigkeit, konkrete Mengenangaben anzugeben, liegt an folgenden Variablen:

1) Intensität der Gewürze

Eine Chili-Schote kann heftige Reaktionen auslösen, eine andere aus derselben Packung ist dagegen mild.
Getrocknete und frische Kräuter verlieren nach einiger Zeit Ihre Würzkraft.

2) Die zu würzenden Produkten

Auberginen können mehr oder weniger Bitterstoffe enthalten, Sauerkraut extrem sauer sein. Durch eine entsprechend größere Menge an Salz und Zucker kann man diese Extremen teilweise ausgleichen. Zudem müsste man alle Produkte genau wiegen, um das Mengenverhältnis zu bestimmen. Das macht beim Backen noch Sinn, ist im täglichen Kochleben jedoch umständlich (wer wiegt schon seine Paprika ab).

2) Persönlicher Geschmack

Der liegt bei Salz zwischen 1,5-2,5 % der Nahrungsmittel und dieses eine Prozent kann eine Menge ausmachen (immerhin 10 g pro Liter Flüssigkeit). Auch die Vorliebe für Schärfe oder Bitterstoff kann man erlernen und individuell steigern (welches Kind mag schon Kaffee oder Brokkoli?).
Es gibt Menschen, die keine Bitterstoffe schmecken können. Manche reagieren viel sensibler auf Gerüche als andere und auch das Alter spielt eine Rolle.

3) Persönliche Situation

Ob unsere Körper z. B. gerade mehr Elektrolyte benötigt, zeigt er uns mit einem stärkeren Appetit darauf.

4) Temperatur der Speisen

Eine Eismasse, die warm probiert wird, kann einem sehr süß vorkommen, wenn sie dagegen gefroren ist, schmeckt sie eher zu fad. Auch eine kalt servierte Gazpacho muss man stärker würzen als eine Tomaten-Suppe.

Letztlich spielt sogar der Luftdruck eine Rolle. Deswegen werden Speisen, die im Flugzeug ausgegeben werden auch stärker gewürzt. Auch diese Liste ließe sich bestimmt noch erweitern.

Ich habe mir daher angewöhnt, bei Rezepten nur die Zutaten zu nennen, mit denen Abgeschmeckt werden soll, nicht aber die entsprechende Menge. Wer sich anfangs noch nicht sicher ist, nimmt 1,5 % Salz bezogen auf das Gesamtgewicht von herzhaften Speisen (z.B. Brotteig, Boulettenmasse o.ä.).

Dies ist mein kleiner Einstieg in die Welt des Würzens. Wer die nächste Stufe erklimmen möchte, geht einen Schritt weiter in die Welt der Gerüche. Denn der Grund, warum wir tausende von Aromen auseinander halten können liegt an unserem Geruchs-Sinn (olfaktorisch). Hält man sich beim Essen die Nase zu, ist es nahezu unmöglich eine Zwiebel von einem Apfel zu unterscheiden. Dagegen reicht es, sich beim Essen von Lammfleisch einen Rosmarin-Zweig unter die Nase zu halten, um diese verschiedenen Aromen auf- und zusammen wahrzunehmen. Die flüchtigen Aromen gelangen dabei zum einen über die Nase zum anderen über den Rachen an den Riechkolben.

Ähnlich wie der Geschmacks- erfüllt der Geruchssinn den Zweck, auf wichtige Inhaltsstoffe oder verdorbene Lebensmittel hinzuweisen.

Neben Aroma und Geschmack funktioniert unsere Differenzierung von Speisen noch über weitere Sinneseindrücke. So ist z.B. Schärfe ein sensorischer Eindruck (somatosensorisch), der dem Gehirn durch den Trigeminusnerv übermittelt wird und vor zu heißen Dingen warnt (daher sprechen wir auch von „brennender Schärfe“). Das gleiche gilt zum Beispiel auch für kühlende (Menthol), zusammenziehende (Gerbsäuren) oder seifige Eindrücke. Auch das Brennen von Alkohol oder Prickeln der Kohlensäure wird übermittelt.

Wer hier weiter in die Materie eindringen möchte, dem empfehle ich das Buch „Aroma“ von Thomas A. Viereck und Thomas Vilgis. Das Buch ist im Prinzip ein hervorragendes Grundlagen-System zum Kombinieren von Aromen (Food-Pairing und Food-Completing).

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