Dry Aged 2.0

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Anleitung für das perfekte Steak

Fleisch:

Vom Rind (Ochse oder Färse), gut marmoriert und vorgereift. Roastbeef oder Entrecote (siehe hier): Fettdeckel und Sehne entfernt und in 3 cm dicke Steaks geschnitten (je 300g).

Gewürze & Zutaten:
Nur Salz, sonst nichts - auch kein Öl.

Zubehör:
Grill-Thermometer (mit 2 Fühlern für Ofen- und Kerntemperatur), Edelstahlschale mit Abtropfgitter, unbeschichtete Pfanne und ein Backofen mit möglichst genauer Temperatureinstellung.

Die einzelnen Schritte:

1) Fleisch salzen und für 24 Std. in einer Schale mit Gitter in den Kühlschrank legen.
2) In den 55 ºC warmen Backofen geben, bis die Kerntemperatur des Fleisches ebenfalls 55 ºC beträgt.
3) Steaks auf dem Grill oder in der Pfanne bei höchster Hitze je Seite 2 x 30 sek anbraten. Die Kerntemperatur sollte jetzt 58 ºC betragen.
4) Weitere 10 min im Ofen bei 55 ºC auf dem Gitter ruhen lassen.


Schritt 2 ist das eigentliche Dry-Aging verfahren. Bei Temperaturen um die 35-40 ºC haben die fleischeigenen Enzyme ihre höchste Aktivität. Dabei entstehen viele Aromen, die charakteristisch für trockengereiftes Fleisch sind.

Auch ein gut vorgereiftes, vakuumiertes Stück vom Rücken, kann eine außerordentliche Geschmacksvielfalt bieten, wenn man es, wie oben beschrieben, zubereitet. Das Fleisch vakuumiert in Folie zu verpacken, ist zunächst kein Nachteil. Allerdings müssen die Rinderhälften nach dem Schlachten etwa 3 Tage am Stück abhängen, bevor sie zerteilt und abgepackt werden.

Es folgen detaillierte Erklärungen für die oben angeführten Schritte 1-5 und weitere Informationen zum Reifen von Fleisch.


Erklärung der einzelnen Schritte zum perfekten Steak


Schritt 1: Fleisch salzen und für 24 Std. in einer Schale mit Gitter in den Kühlschrank legen.

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Zwar bildet sich zunächst auf der Oberfläche nach dem Salzen etwas Flüssigkeit, diese zieht jedoch zusammen mit gelösten Na- und Cl-Ionen in das Fleisch ein. Ein Effekt, der auch beim Trockenpökeln genutzt wird.
Das Wasserbindevermögen des Proteins Myosin wird erhöht, was das Fleisch nach dem Garen saftiger macht.
Letztlich wird das Fleisch durch das Salz auch geschmacklich verbessert.

Durch das Salz werden übrigens nicht alle Keime gehemmt. Einigen wird zwar ebenfalls durch Osmose das Wasser, also die Nahrungsgrundlage entzogen, völlige Sicherheit hat man jedoch nur durch Hitze-Behandlung der Oberfläche (Abflammen, Blanchieren oder Anbraten).


Schritt 2: In den 55 ºC warmen Backofen geben, bis die Kerntemperatur des Fleisches ebenfalls 55 ºC beträgt.

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Man liest es oft: das Fleisch aus dem Kühlschrank nehmen und 30 min. Zimmertemperatur annehmen lassen. Das funktioniert aber leider nicht, da Fleisch ein denkbar schlechter Wärmeleiter ist. Die weitaus effektivere Methode ist, es in den warmen Ofen zu geben.

Langsames Erwärmen hat 2 Vorteile:

1.) Reifezeit = erhöhte Enzymtätigkeit
Im Ofen findet der eigentliche Dry-Aging-Prozess statt. Die Enzyme im Fleisch haben bei der Körpertemperatur des lebenden Tieres die höchste Aktivität. Das heißt, zwischen 35 - 40 ºC entstehen viele geschmacksintensive Komponenten (z.B. auch Glutaminsäure oder deren Salz, das Glutamat).

2.) Fibrilläres Eiweiß schrumpft nicht
Das Fleisch wird zarter und saftiger. Durch zu hohe Hitze denaturiert das Eiweiß im Fleisch, das vorher gebundene Wasser wird frei und tritt z.B. beim Anschneiden aus. Bei hohen Ofentemperaturen hat man zwar nach kürzerer Zeit die gleiche Kerntemperatur, die äußeren Schichten sind dann jedoch schon übergart.

Muskeleigene Enzyme spalten übrigens nicht das Kollagen. Pflanzliche Proteasen haben hier eine viel extremere Auswirkung (siehe Artikel Bromelin).

Schritt 3: Steaks auf dem Grill oder in der Pfanne bei höchster Hitze anbraten. Dabei alle 30 Sekunden wenden, bis das Fleisch die gewünschte Bräunung hat. Insgesamt jedoch nicht länger als 2 Minuten.

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Ein weiterer Vorteil, das Fleisch im Ofen zu erwärmen und gleichzeitig die Oberfläche zu trocknen liegt darin, dass sich beim Anbraten in der heißen Pfanne (oder auf dem Grill) eine schönere Kruste bilden kann. Dabei hat man länger Zeit, da trockene Hitze die Wärme schlechter leitet als feuchte. Im Fleisch wird somit die Hitze langsamer von der Oberfläche nach innen übertragen. Das Fleisch wird somit nicht so schnell übergart.
Beim Anbraten verdampft zudem kaum Wasser auf der Oberfläche. Dies ist etwas ungewohnt, wenn man das Fleisch in die Pfanne legt, da es kaum zischt und man zunächst denkt, die Pfanne wäre nicht heiß genug.

Zum Anbraten verwende ich kein zusätzliches Öl. Meistens reicht das intramuskuläre Fett des Fleisches vollkommen aus, um den Kontakt zwischen Pfanne und Steak zu verbessern und die Röstung zu beschleunigen. Wenn das Fleisch zu mager ist, verwende ich zum Anbraten etwas Rinderfett, welches ich beim Parieren des Fleisches aufhebe.


Schritt 4: Im Ofen bei 55 ºC auf einem Gitter ruhen lassen.

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Ruhen lassen, damit kein Saft austritt:

Nach dem Anbraten haben die äußeren Schichten eine weitaus höhere Temperatur als die inneren. Würde man den Braten nun anschneiden, liefe viel Wasser heraus. Um dies zu verhindern, muss man das Fleisch einige Zeit bei niedrigen Temperaturen ruhen lassen. Dabei spielen folgende Vorgänge eine Rolle:

1.) Durch die Hitze ziehen sich die außen liegenden Muskelfasern zusammen und dadurch ändert sich auch der Abstand zueinander. Das frei gewordene Wasser, welches vorher an Eiweiß gebunden war, wird nun nicht mehr durch polare Bindungen gehalten, wenn der Abstand zwischen den Muskelfasern zu eng oder zu weit ist. Bei sinkenden Temperaturen ordnen sich die Fasern wieder, der Abstand untereinander gleicht sich an und das Wasser wird durch Ladungen in diesen Zwischenräumen gehalten. Somit läuft das Wasser beim Anschneiden nicht aus.

2.) Beim Abkühlen dickt das Wasser durch Protein-Stücke ein. Es wird wie bei einer Sauce gebunden. Da es nun dickflüssiger ist, läuft es beim Anschneiden nicht heraus.

Wer will, kann diese Phase über Stunden ausdehnen. Da die Raum- der Kerntemperatur entspricht, wird diese nicht mehr steigen, das Fleisch also auch nicht viel trockener werden (bis auf die Verdunstung, die stattfindet). Die Steaks oder der Braten lassen sich also wunderbar ohne Qualitätsverlust vorbereiten. Hilfreich ist hier ein Thermometer, welches die Ofentemperatur überprüft. Diese schwankt bei älteren Geräten etwas, da die eingestellte Temperatur durch ständiges Ein- und Ausschalten der Heizung erreicht wird.

Warum auf einem Gitter ruhen lassen?

Für die folgende Theorie habe ich (noch) keine endgültigen Beweise, aber sie lautet folgendermaßen:
Wenn das Fleisch Kontakt zu einer Oberfläche hat, kondensiert der austretende Wasserdampf an dieser und sammelt sich am Boden. Dies passiert, wenn man das Fleisch in Alufolie wickelt oder auch, sobald man es auf einen kalten Teller legt. Gibt man das Fleisch zum Ruhen auf ein Gitter, kann rundherum die Luft zirkulieren und der Wasserdampf entweichen. Ich vermute, dass durch den Kontakt zum kondensierten Fleischsaft, weiterer nachläuft. Dies könnte man durch Wiegen zweier anfangs gleich schwerer Stück einmal nachprüfen. Dazu bin ich aber noch nicht gekommen. Wer Zeit und Lust hat…

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Anhang: Vom Muskel zum verzehrbaren Fleisch

Aktin und Myosin, beim lebendigen Tier zuständig für das An- und Entspannen der Muskeln, werden nach dem Schlachten nicht mehr voneinander getrennt, da über den gestoppten Blutkreislauf kein ATP geliefert werden kann. Der Muskel wird starr und verliert seinen Dehnbarkeit (Rigor Mortis).

Die folgenden Prozesse finden nun anaerob statt: Das Glykogen im Muskel wird zu Milchsäure abgebaut, dabei wird Energie (ATP) gewonnen. Die Verbindung von Aktin und Myosin wird also wieder gelöst, der starre Muskel wird wieder weicher. Wenn das komplette Glykogen im Muskel aufgebraucht ist, endet dieser Prozess.

Durch die entstandene Milchsäure, sinkt der pH-Wert des Fleisches von 6,8 auf unter 5,5. Die nun frei werdenden Enzyme (z.B. Kathepsine und Kalpaine bzw. Proteinasen) bewirken die Auflösung der Muskelfaserstrukturen (Autolyse). Dabei spalten Lysosomale Enzyme die Proteine, Polysaccharide, Nucleinsäuren und Lipide, also alle wichtigen Makromoleküle (Kohlehydrate, Fette, Eiweiß).
Durch die Hydrolyse von ungesättigten Fettsäuren entstehen z.B. flüchtige Aromen. Diese sind nur direkt nach dem Öffnen der Vakuumverpackung wahrnehmbar.

Durch die Milchsäure quillt übrigens auch das Kollagen, welches beim späteren Garen des Fleisches dann nicht mehr so stark schrumpft.

Bis zu diesem Zeitpunkt (bis ca. 4-14 Tage nach Schlachtung - je nach Temperatur) ist es für die Zartheit des Fleisches nicht entscheidend, ob die Reifung im Vakuum-Beutel oder ohne statt findet.
Die Fleischreifung läuft anaerob ab. Entscheidend ist, das es reift.

Es wird zwar immer beschrieben, der Vorteil von Dry-Aged-Fleisch sei, dass dieses nicht den säuerlichen Geschmack von Fleisch aus einem Vakuumbeutel habe. Dies kann ich jedoch nicht bestätigen und es wäre auch nur schwer zu erklären: Da durch die Milchsäure das Fleisch einen niedrigen pH-Wert hat, ist es demzufolge auch leicht sauer. Erst bei weiteren Gärungs-Prozessen* würde der pH-Wert ansteigen, dann wäre das Steak aber ungenießbar.

*Bestimmte Bakterien sind in der Lage, die Milchsäure weiter zu Essigsäure und
Propinsäure abzubauen. Diese Propionsäurebakterien werden beispielsweise bei der Herstellung von Hartkäse eingesetzt und könnten auch die käsigen Aromen von lange gereiftem Fleisch erklären. Das dabei entstehende CO2 ist übrigens für die Löcher im Käse verantwortlich.


Womit wir bei den Vor- und Nachteilen des Dry-Aging wären:

Vorteile:
- Geschmack
- Aromenvielfalt
- Anbratverhalten

Nachteile:
- Keimanfälligkeit der Oberfläche (Pilze und Bakterien)
- lange Lagerung mit damit verbundenen Risiken
- Gewichtsreduzierung
- trockene Stellen
- Fett wird gelb und ranzig
- bei Reifung am Knochen können diese nicht mehr zu Fonds o.ä. weiterverarbeitet werden
- Wasserverlust

Anm.: Manchmal ist eine Reifung mit Pilz-Kulturen gewollt, z.B. bei Luma-Beef oder im „Wolfgangs“ in New York.


Die unterschiedlichen Reifeverfahren

Allgemein wird bei den Reifeverfahren zwischen Dry- und Wet-Aged unterschieden.
Dry-Aged bezeichnet das Reifen im Kühlraum bei 2-4 ºC und etwas 85 % Luftfeuchtigkeit. Meistens wird das Stück um die 3 Wochen am Knochen gereift, ausgelöst, pariert und dann zu den verschiedenen Steaks geschnitten.
Mit "Wet-Aged" wird das Reifen im Vakuumbeutel bezeichnet, wobei die Rinderhälften vor dem Vakuumieren der Stücke etwa 3 Tage im Kühlhaus hängen und vorreifen. Im Handel kann man diese Fleisch-Stücke (z.B. ein ganzes Rib-Eye) vakuumverpackt kaufen und auch direkt zubereiten.

Die Begriffe Dry-Aged und Wet-Aged sind etwas irreführend, denn "Trocken-Reifen" also mit Sauerstoff (aerob) bezeichnet den Prozess der "Verwesung". "Feucht-Reifen" ist eigentlich der Vorgang der Fermentation oder Gärung (anaerob - Louis Pasteur: "Fermentation, c’est la vie sans l’air"). Wenn dieser Vorgang nicht mehr kontrolliert abläuft, sprechen wir von Fäulnis.
Während der Reifung von Fleisch, sind diese beiden Vorgänge jedoch nicht so einfach zu trennen, da sie sowohl an der Oberfläche (aerob), als auch im Inneren (anaerob) stattfinden.


Einflüsse auf die Fleischqualität

Entscheidend für ein hervorragendes Endprodukt, sind verschiedene Faktoren.

Grundsätzlich kann man sagen: je respektvoller der Umgang mit den Tieren bei Aufzucht und Schlachtung, desto besser die Qualität des Fleisches. Wer gern gutes Fleisch kaufen möchte, sollte sich auch um Tierschutz Gedanken machen.

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Auswahlkriterien von Fleisch für beste Ergebnisse

Anteil an intramuskulärem Fett (Marmorierung)
Fette sind Aromaträger Im Gegensatz zum subkutanen Fettgewebe (z.B. die Fettabdeckung beim Roastbeef), hat das intramuskuläre Fett einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren). Je größer dieser Fettanteil, desto geschmackvoller das Fleisch.

Auswahl des Tieres
Ochsenfleisch hat die höchste Qualität, was Zartheit, Geschmack und Saftigkeit angeht. Darauf folgt Färsen- und Jungbullenfleisch. Auch alte Milchkühe können hervorragende Fleischqualität liefern (z.B. Txogitxu). Allerdings haben ältere Tiere eine festere Kollagenstruktur, die längere Garzeiten erfordert (Umwandlung in Gelatine bei ca. 72 ºC).

Auswahl des geeigneten Teilstücks
Es macht einen großen Unterschied, ob das Fleisch geschmort oder kurz gebraten werden soll. Danach sollte auch das geeignete Stück ausgewählt werden.