Richtig knusprige Pommes

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Das letzte Video, welches ich mit einigen Freunden für unser YouTube-Projekt "Garzeit" gedreht habe, sollte zeigen, wie leicht man schnell knusprige Pommes zuhause zubereiten kann. Das Problem liegt im Begriff "schnell".

Da ich von dem Vorschlag recht spontan und kurz vor dem Dreh erfahren hatte, habe ich schnell recherchiert, ob es eine verlässliche Methode gäbe, die Süßkartoffelfritten knusprig zu bekommen. Auf einen Weg konnten sich viele einigen: man müsse die rohen Stäbchen vor dem Frittieren oder Backen mit einer dünnen Schicht Stärke umhüllen. Also habe ich dies einfach im Video ausprobiert, mit mäßigem Erfolg.

Denn unter uns: die Süßkartoffel-Fritten, die ich zubereitet hatte waren zwar lecker, aber so richtig knusprig waren sie leider nicht. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass bei den meisten Rezepten und Videos die auf YouTube kursieren, die Pommes nicht wirklich knusprig sind. Man will ja am Ende des Drehs nicht wie der letzte Depp dastehen*.

Daraufhin habe ich nach einem zuverlässigen Weg gesucht, um knusprige Pommes zuzubereiten. Ich habe sowohl Süß- als auch vorwiegend festkochende Kartoffeln ausprobiert. Aus beiden lassen sich knusprige Fritten zubereiten, das Geheimnis liegt im Vorgaren.

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Zwei Versionen habe ich gefunden. Meine Tochter fand die Zweite besser, meine Frau die Erste. Knusprig sind beide. Ehrlich, ich schwöre.

Version 1 - dünne, knusprige Außenschicht, cremiges Innere:

2 große vorwiegend festkochende Kartoffeln oder Süßkartoffeln
2 l Wasser
1 TL Backpulver
1 TL Salz

Die Kartoffeln in 1 cm breite Stäbchen schneiden. Dabei vorher etwas Schale entfernen.

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Die Kartoffelstäbchen in einen Topf mit kaltem Wasser geben. Pro Liter Wasser 1/2 TL Backpulver sowie 1/2 Salz zufügen. Durch Natriumhydrogencarbonat wird die Oberfläche der Kartoffeln porös und sie garen schneller. Zudem läuft die Bräunungsreaktion beim späteren Frittieren viel schneller ab. Die Säure im Backpulver (Dinatriumdihydrogendiphosphat) verhindert die Oxidation der Kartoffeln, so dass sie ihre kräftige, gelbe Farbe behalten und nicht grau werden. Neben dem Geschmack hilft das Salz auch, den Garvorgang zu beschleunigen.

Das Wasser auf höchster Stufe zum Kochen bringen, die Hitze reduzieren und ab diesem Moment weitere 10 min. nur noch simmern lassen. Die Stäbchen sollten nun zwar weich, jedoch noch stabil genug sein, um nicht zu zerfallen.

Das Wasser abgießen und die Kartoffelstäbchen mit kaltem Wasser abschrecken und abkühlen.

Die Stäbchen für mindestens 30 min. ins Gefrierfach geben. Sie können nun auch für die spätere Verwendung eingefroren werden.

In einer Fritteuse oder Topf ausreichend Rapsöl auf 168 °C* erhitzen und die Pommes darin 4 min. goldbraun frittieren. Die Pommes in einer Schale mit Küchenpapier entfetten und abkühlen lassen. In dieser Zeit das Frittierfett wieder auf Temperatur bringen und die Pommes noch einmal für 2 min. frittieren.

* Gemäß EU-Verordnung 2017/2158 vom 20.11.2017 habe ich meine Empfehlung für die Frittier-Temperatur von ehemals 180-190 °C auf 168 °C gesenkt. Es geht dabei darum, weniger Acrylamid entstehen zu lassen. Knusprig werden die Fritten trotzdem.
Wer genau wissen will, welche Farbe die Pommes haben sollten oder was "goldgelb" überhaupt bedeutet, kauft sich einfach für 134 € die
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Die durch das Backpulver poröse Oberfläche saugt sich mit Fett voll und bildet eine dünne, zarte und knusprige Außenschicht. Diese hat sich leicht vom Inneren abgelöst, so dass die Feuchtigkeit nicht so schnell die Außenschicht aufweichen kann. Das Ergebnis sind knusprige, braune Pommes mit einem cremigen Kern.

Diese Version hat Anja favorisiert.

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Version 2 - dicke, sehr knusprige Außenschicht

Im Prinzip der gleiche Ablauf wie bei Version 1 mit folgenden Unterschieden:

Beim Kochen nur Salz verwenden und die Garzeit auf etwa 15 min. erhöhen.
Der erste Frittier-Durchlauf dauert mit ca. 9 min etwas länger.

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Die knusprige Außenschicht ist extrem kross, allerdings auch dicker als bei den Backpulver-Pommes. Somit ist das Innere auch nicht so cremig.

Allerdings fand Eva diese Version besser.

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Was passiert beim Vorkochen der Kartoffeln?

Ein Teil der Stärke wird ab ca. 50 °C enzymatisch in Zucker umgewandelt. Dadurch schmecken die Kartoffeln natürlich süßer, was bei Süßkartoffeln noch extremer auffällt. Durch den Zucker wird aber auch die Bräunung beim Frittieren beschleunigt. Das Enzym wird ab einer bestimmten Temperatur (ab ca. 75 °C) denaturiert und stellt dann seinen Dienst ein. Das Vorgaren sollte also bei mäßiger Hitze stattfinden.

Die in der Kartoffel enthaltene Stärke nimmt Wasser auf und quillt. Dies geht soweit, dass im Laufe der Zeit immer mehr Stärkekörnchen platzen und die Kartoffeln irgendwann total zerfällt. Bei mehlig kochenden Kartoffeln ist dieser Prozess noch auffälliger, da sie mehr Stärke und weniger Protein als festkochende Kartoffeln enthalten.

Warum müssen die Kartoffeln nach dem Vorkochen eingefroren oder zumindest gekühlt werden?

Beim Abkühlen der Kartoffeln gibt die mit Wasser gequollene Stärke einen Teil der Feuchtigkeit wieder ab. Diesen Vorgang nennt man Retrogradation. Deshalb wird übrigens eine Brotkruste im Laufe der Zeit weich und die Krume fest. Die Feuchtigkeit wird langsam von innen nach außen abgegeben.
Für das spätere Frittieren der Pommes liegt somit der Vorteil darin, dass die gewünschte krosse Außenschicht nicht so schnell durch die Feuchtigkeit des Inneren aufgeweicht wird.

Warum vorwiegend festkochende Kartoffeln verwenden?

Mehlig kochende Kartoffeln enthalten mehr Stärke als festkochende Kartoffeln.
Stärke besteht zu etwa 70-80 % aus Amylopektin, sowie 20-30 % aus Amylose. Die Amylose ist der Anteil, der Wasser aufnimmt und dadurch aufquillt.
Ist nun der Stärke-Anteil zu hoch, entsteht beim Vorkochen eine dicke Stärke-Gel-Schicht an der Oberfläche der Kartoffeln, die beim Frittieren zwar knusprig, jedoch auch sehr fest wird.

Warum wird meist empfohlen, die Kartoffelstäbchen vor dem Frittieren zunächst zu wässern und gerade Süßkartoffel-Pommes vor dem Frittieren mit Stärke zu umhüllen?

Beides macht nicht viel Sinn. Durch das Wässern soll möglicherweise die an der Schnittfläche austretende Stärke abwaschen, damit diese nicht zu schnell bräunt. Allerdings zeigt Stärke beim Frittieren keine Bräunungsreaktionen, da dazu erst ein Teil in Zucker umgewandelt worden sein muss. Dies passiert jedoch erst durch enzymatische Prozesse, die bei zu hoher Hitze aussetzen.

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* Mein Sohn hat mir in letzter Zeit einige erfolgreiche YouTuber vorgestellt, damit ich "mal verstehen würde, wie man viele Klicks bekäme". Dabei sahen wir einen gewissen Emrah, der in einem Video überprüfte, ob man eine völlig versalzene Suppe durch Mitkochen einer (!) Kartoffel entsalzen könne. Er probiert schließlich die Suppe und stellt erstaunt fest, dass es wirklich funktioniere.

Das stimmt aber nicht, denn woher soll das Salz wissen, dass es in die Kartoffel wandern soll?

Im Laufe des Garvorgangs wird sich die Salzkonzentration durch Diffusion und Osmose überall in der Suppe ausgleichen. Nach einiger Zeit ist also die Salzkonzentration in der Kartoffel genauso hoch, wie in der Suppe. Man müsste also ganz viele Kartoffeln zufügen, bis allein durch die zusätzliche Masse die Salz-Konzentration verringert wird. Dann kann man jedoch die Suppe auch mit Wasser verdünnen.

Doch zurück zu den Pommes.

Ich hoffe, man kann es auf dem Bild unten erkennen, im Inneren ein cremiger Kern, außen eine dünne, krosse Schicht, fast wie bei Chips. Dadurch, dass sich die Außenschicht etwas vom Kern abgelöst hat, bleiben die Fritten auch längere Zeit noch knusprig.

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