Spaghetti alla napoletana

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Das italienische Wort "Miracolo" stand Pate für ein sehr ähnlich klingendes Nudel-Halbfertiggericht. Das eigentliche Wunder ist allerdings nicht die Qualität des Produkts, sondern das Konsumverhalten der Käufer.

Würde man mir vorschlagen, eine Packung Nudeln zusammen mit Tomatenmark, irgendeinem gelben Gekrümel (Käse?) und einem Tütchen Pulver (Gewürze) für 1,79 € zu verkaufen, hielte ich ihn für verrückt. Aber es funktioniert und ich nehme mich da selbst nicht einmal aus.

Als ich kurz nach dem Abitur mit meinem Freund Mazze einen 6-wöchigen Workshop in Hamburg besucht habe, haben wir uns während dieser Zeit hauptsächlich von genau diesen Nudeln ernährt. Abgesehen von einigen alten Brotscheiben, die wir aus den Schränken der Gemeinschaftsküche des Studentenwohnheims geliehen haben.
Wie es zwei Kleinstädtern ergeht, wenn sie sich zum Tor der Welt aufmachen, konnten Mazze und ich übrigens gleich bei der Anreise nach Hamburg erleben. Mit dem von meinem Vater geliehenen Mercedes Benz Kleintransporter, einem T1 208 D, fuhren wir morgens los und verirrten uns auch gleich im Brückengewirr Hamburgs. Irgendwann standen wir dann vor einer geschlossenen Schranke und ein Zollbeamter fragte uns, ob wir etwas zu verzollen hätten. Wir antworteten souverän, dass wir gar nicht in den Hamburger Hafen fahren möchten und direkt wieder umdrehen würden. Da lehnte sich der Staatsdiener leicht vor und sagte: "Jungs (Spacken), unser Problem ist gerade, dass ihr aus dem Hafen raus wollt und nicht rein. Also, habt ihr was zu verzollen?"
Er hat uns dann nach einem Blick in den Transporter erklärt, dass er jetzt eigentlich prüfen müsste, ob es Papiere für die Instrumente gäbe und dass die Kiste Bier jetzt versteuert werden müsste. Aber als er unser Kennzeichen sah und unseren verwirrten Gesichtsausdruck, sagte er milde: "Na, dann fahrt mal weiter."

Aber ich schweife ab, zurück zu den Nudeln.

Wem der Preis für die Wundernudeln zu hoch ist, der kommt nicht auf die Idee, einfach eine Tube Tomatenmark und eine Packung Nudeln zu kaufen. Nein, er kauft das günstigere No-Name-Produkt. Dieses steht meistens im Supermarkt direkt neben dem Original.

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(Finde den Fehler...)

Ich habe die Gewürzmischung des Original-Produkts durch zwei verschiedene Siebe gesiebt. Herausgekommen ist Folgendes:

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Die feinsten Bestandteile auf dem linken Teller sind zum größten Teil Stärke, feines Salz und Mononatriumglutamat. In der Mitte finden sich einige grüne Krümel, ursprünglich vielleicht irgendein Kraut, welches, lässt sich nicht herausschmecken. Schließlich sind rechts größere Stückchen von getrocknetem Knoblauch, Zwiebel und Sellerie.

Wer gerade aus der WG ausgezogen ist und nun endlich mal richtig kochen möchte, findet hier und heute das Rezept für eine ultraschnelle Version der klassischen Spaghetti Napoli. Diese haben auch nicht den penetranten Nachgeschmack, den getrockneter Knoblauch und Glutamat auf der Zunge hinterlässt. Damit der Kulturschock nicht zu groß wird, habe ich Tomatenmark und keine frischen Tomaten verwendet.

Was aber unbedingt ersetzt werden muss, ist das unsägliche, gelbe Sägemehl, was als Käse deklariert wird.

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Im italienischen Originalrezept für die Sauce der Spaghetti alla napoletana sind folgende Zutaten vermerkt:

Knoblauch, Basilikum, Tomaten aus der Dose, Salz, Pfeffer und eine Prise Zucker, um die Säure der Tomaten abzumildern.
Für die Zubereitung der Pummarola (italienisch für Tomatensauce) wird der in Scheiben geschnittene Knoblauch zunächst im Öl goldbraun angeröstet und dann wieder herausgenommen. Dann werden die Dosentomaten zugefügt, dicklich eingekocht und schließlich durch ein Sieb gestrichen. Die gekochten Nudeln werden dann kurz vor dem Servieren mit der Sauce gemischt.

All dies kann man natürlich wunderbar abkürzen:

Tomatenmark ersetzt, wie schon erwähnt, die passierten und eingekochten Tomaten und wenn die Nudeln zum Schluss sowieso mit der Sauce vermischt werden, kann man sie auch gleich darin kochen.

Noch eine Anmerkung zu dem Märchen, man müsse Nudeln in viel Wasser kochen, damit sie nicht aneinander kleben. Ich habe es in einem früheren Artikel schon erwähnt, es ist lediglich die Herstellung der Nudeln dafür verantwortlich, ob sie schnell verkochen oder nicht. Ähnliches gilt übrigens auch für bestimmte Reissorten, die auch nach dem Garen noch luftig, körnig bleiben, obwohl sie in genau soviel Wasser gekocht werden, dass zum Schluss nichts mehr übrig ist.

Die Nudeln des Markenherstellers sind für eine bissfeste Zubereitung übrigens nicht geeignet und zerfallen schnell. Man sieht dies an der ungleichmäßigen Struktur. Während des Kochens, geben diese Nudeln viel Stärke in das Kochwasser ab und verkleben miteinander.

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Zum Abschluss noch das Rezept-Video für Spaghetti alla napoletana:

Gewürzketchup

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Der Provider meiner Web-Seite bietet mir den Einblick in eine detaillierte Statistik der Besucher-Zugriffe.

Eine darin enthaltene Rubrik lautet: "Keyphrases used on search engines". Dort kann ich unter bestimmten Umständen sehen, über welchen Suchbegriff Jemand auf meiner Seite gelandet ist. Teilweise landen Suchende bei mir, obwohl hier nicht annähernd ein Sinnvoller Zusammenhang besteht.

Im aktuellen Monat Mai waren die interessantesten oder auch skurillsten Suchanfragen die Folgenden:

Platz 3: volkswagen gewürz ketchup inhaltsstoffe

Platz 2: spaghetti in der die die die bolognese essen möchte da suchen soll ich hier bisschen gruppe verlassen möchte gurkensalat

Platz 1: zehenkuppen abgetrennt

Ich habe mich entschieden, den dritten Platz, also das Gewürzketchup etwas genauer zu behandeln. Natürlich habe ich kurz überlegt, ob ich "zehenkuppen abgetrennt" google, um zu sehen, welcher Inhalt meines Blogs dann vorgeschlagen wird. Ich hatte aber zu viel Respekt vor weiteren Suchergebnissen. Insbesondere bei einer Bildersuche.

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Zum Gewürzketchup:

Der oder das Gewürz-Ketchup des Currywurst-Automobilkonzerns wird von der Firma Mondelez hergestellt. Zu diesem Conveniens-Kraken gehören so illustre Produkte wie Milka-Schokolade, Jacobs-Kaffee, Miracel-Whip-Salatcreme oder auch Philadelphia.

Was klingt, wie der "Sänger", der 2016 Dschungelkönig geworden ist (dies habe ich bei Spiegel-Online gelesen), ist ein Weltkonzern mit einer beeindruckenden Liste an Gründern:

Neben James L. Kraft, der geistige Vater der meisten der oben genannten Marken auch Philippe Suchard und der legendäre Theodor Tobler, Erfinder der gleichnamigen Dreiecksschokolade. Die Umfangreiche Liste liegt natürlich an der intensiven Einkaufspolitik des Mutter-Konzerns. Erst vor ein paar Jahren fusionierte Mondelez mit der Firma Kraft, die bekanntermaßen ebenfalls Ketchup vertreibt.

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Nur nebenbei bemerkt: Das kommt also dabei heraus, wenn sich die Grafiker von drei Großkonzernen zusammensetzen und ein Layout für Ketchup-Etiketten kreieren?

Wenn es darum geht, geschmacklich ein bekanntes Produkt zu imitieren, hilft ein Blick auf die Zutaten- und Nährwertliste:

Das Gewürzketchup enthält pro 100 g:

24 g Tomatenmark

37 g Kohlenhydrate davon
30,5 g Glucose-Fructose-Sirup und Zucker

1,86 g Salz
1,5 g Currypulver (Gewürze, Zucker, Senf und Salz)

Dazu eine nicht definierte Menge "Essig aus Agraralkohol", man könnte auch sagen, Branntweinessig. Durch Abschmecken lässt sich der Essig-Anteil jedoch leicht ermitteln.

Zuletzt enthält das Produkt noch die obligatorische "modifizierte Stärke" und "Aroma".

Aroma kann bekanntlich alles mögliche sein, ist meist jedoch einfach ein anderer Ausdruck für Glutaminsäure oder deren Salze. Wie übrigens auch Hefeextrakt. Ich verzichte beim Herstellen des Ketchups auf diese Zusätze, da Tomatenmark eine recht hohe Menge natürliches Glutamat enthält.

Die Stärkemenge beträgt ca. 6-7 g, denn sie ist in der Gesamtmenge an Kohlenhydraten enthalten. Sie wird "modifiziert, d.h. so behandelt, dass bestimmte Eigenschaften hervorgerufen oder ausgeschaltet werden.*

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Der Firmen-Schriftzug auf der Flasche wäre auch ein schönes Logo für eine dieser Gruppen, die mit Panflöten in den Innenstädten musizieren.

Aus den Informationen ein Rezept zusammenstellen:

Über den Glucose-Fructose-Sirup habe ich hier schon ausführlich berichtet (-> klicken). In erster Linie handelt es sich dabei um ein extrem günstiges, meist aus Mais hergestelltes Süßungsmittel mit einem hohen Fructose-Anteil. Dadurch bleibt dieser Zucker bei Zimmertemperatur flüssig und kristallisiert nicht.

Rezept für etwa 500 g Gewürzketchup:

150 g Haushaltszucker zusammen mit
20 g Stärke vermischen und in

160 g kaltes Wasser und
40 ml Branntweinessig einrühren. Mit einem Schneebesen rühren und dabei langsam zum köcheln bringen.

Wenn sich der Zucker komplett aufgelöst hat und die Stärke vollständig gequollen ist,

125 g Tomatenmark (2-fach-konzentriert) unterrühren.
10 g Salz und
7 g Currypulver zufügen und weitere 5 min. leicht köcheln.

In ein steriles Einmachglas füllen, verschießen und abkühlen lassen.

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Dieser Ketchup kommt dem Original in Geschmack und Konsistenz sehr nahe. Natürlich können nach Wunsch noch Chili oder auch ein Schuss Worchester- oder Soja-Sauce zugefügt werden.

* Stärke ist ein Polysaccharid, also eine lange Kohlenhydrat-Kette. In dieses lange Molekül werden durch "Modifikation" neue Gruppen eingelagert. Neutrale Gruppen wie Hydroxypropylgruppen erhöhen z.B. die Löslichkeit, Stabilität und Viskosität. Die Eigenschaften der Stärke ähneln dann Verdickungsmitteln (z.B. Guarkernmehl).
Eine andere Möglichkeit ist, eine saure Gruppe in die Stärke-Kette einzulagern. Mit beispielsweise durch Phosphatgruppen modifizierter Stärke werden Suppen gebunden, damit beim Abfüllen in Dosen sich die Einlagen wie Gemüse oder Nudeln nicht absetzen. Beim Erwärmen darf dann die Suppe jedoch nicht zu dickflüssig sein, was bei Verwendung von normaler Stärke der Fall wäre. Durch Modifikation reagiert Stärke also anders als sonst bei verschiedenen Temperaturen.

Links das Original, rechts meine Kopie - kaum zu unterscheiden:

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