Wild-Rohwurst: Anschnitt

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Nach etwa 3 Wochen Reifezeit, habe ich heute die Wild-Rohwurst angeschnitten und war ganz begeistert von dem Ergebnis.

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Daraufhin habe ich meinem Vater eine Wurst zur Verkostung und Beurteilung vorbei gebracht. Mit kritischem Metzger-Blick hat er sofort bemerkt, dass die Wurst außen schon etwas fester geworden war und somit die Feuchtigkeit nicht ganz gleichmäßig von innen nach außen gelangt ist.
Die Luft im Kellerraum war also etwas zu trocken und man hätte die Wurst ab und zu mit etwas Salz-Wasser befeuchten müssen.

Während er mir dies erklärte, hat er übrigens fast eine halbe Wurst aufgegessen und sagte nach einiger Zeit: "Geschmacklich nicht schlecht."

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Wild-Rohwurst

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Es gibt Berufe, die will heute kaum jemand mehr erlernen. Das ist schade, geht dadurch doch ein Stück Tradition verloren. Ersetzt werden die früher durch Handwerk geschaffenen Produkte meist durch Industrieware. Aber eine Maschine wird niemals ein Brot oder eine Wurst herstellen können, wie ein erfahrener Meister.

Interessanterweise gibt es gegen den Trend jedoch immer wieder Leute, die sich für einen dieser Randgruppenberufe interessieren. Vor einiger Zeit wurde ich von einem Freund gefragt, ob mein Vater bei der Suche nach einem Fleischer behilflich sein könnte, um dort ein Praktikum zu absolvieren. Als Metzgermeister im Ruhestand ist mein Vater immer noch sehr gut informiert und so war die Vermittlung kein Problem.

Auch mein Neffe, der nach einem freiwilligen ökologischen Jahr in Braunschweig-Riddagshausen gerade sein Forstwirtschafts-Studium begonnen hat, wollte als Vorbereitung ein kleines Metzger-Praktikum besuchen. Er hatte gerade seinen Jagdschein bestanden und da ist es sicherlich eine gute Idee, sich auch mit der Zerlegung und Weiterverarbeitung der Tiere auseinanderzusetzen.

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Das Interessante für mich dabei war, dass ich sowohl von meinem Freund als auch von meinem Neffen lustige Geschichten aus dem Metzger- und Jagd-Alltag erfuhr:

Aus Hodensäcken von Bullen kann man beispielsweise Knobelbecher herstellen. Man muss sie nur über ein Glas stülpen und längere Zeit trocknen. So einen Becher kann man ja immer gebrauchen. Zum Beispiel für Kniffel.

Ein Rinderschädel wird im Garten zum Trocknen aufgehängt, in der Hoffnung, dass irgendwann die Fliegen das ganze Fleisch und auch das noch enthaltene Gehirn wegfressen. Der Versuch musste jedoch wegen des Gestanks abgebrochen und ins Erdreich verlegt werden. Wo auch immer der Schädel jetzt liegt.

Apropos Schädel: Wenn ein Hirschkopf nach der Jagd noch nicht völlig ausgeblutet ist und auf dem Weg zur fertigen Jagdtrophäe irgendwo zwischengelagert werden muss, ist die Lösung so einfach: ab damit in die Badewanne. Problematisch nur, wenn man den Duschvorhang zuzieht und "vergisst", die Freundin zu informieren.

Doch zurück zu den Würsten, sonst verdirbt es einem noch den Appetit.

Gerade bei meinem Neffen war im Laufe des Praktikums die Begeisterung zum Wursten entfacht und so fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, die gesammelten Wild-Vorräte zu verarbeiten. Da lässt sich auch mein Vater nicht lang bitten und wir trafen uns, um Wildsalami herzustellen.

Heute geht es also um Rohwurst.

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Es gibt zwei Sorten:

Die eine ist fest (z.B. Salami), die andere streichfähig (z.B. Teewurst). Einige Vertreter der Rohwürste liegen irgendwo dazwischen. Beispielsweise lässt sich eine Braunschweiger Mettwurst zwar in Scheiben schneiden, diese lassen sich jedoch auch verstreichen.

Da das Wurstbrät, wie es der Name schon verrät, "roh" ist, muss man sich einiger Tricks für die Haltbarkeit überlegen. Es geht im Prinzip darum, den verschiedenen Keimen Hürden in den Weg der Vermehrung zu stellen. Einige schaffen es zwar, die ersten zu überwinden, scheitern dann jedoch an der nächsten. Im Ziel sollte die Keimdichte so gering sein, dass keine Gefahr mehr beim Verzehr besteht.

Eine gute Möglichkeit, einen Blick auf die verschiedenen Zusätze und die Zubereitung zu werfen. Durch die schon angesprochene industrielle Produktion, haben immer mehr Zusatzstoffe Einzug in unsere Produkte gefunden, die in erster Linie dafür zuständig sind, eine Maschinenverarbeitung zu erleichtern oder eine längere Haltbarkeit im Supermarktregal zu gewährleisten. Viele davon sind für das Produkt selbst allerdings völlig unnötig. Jedoch nicht alle, denn man darf bei allem nicht vergessen, dass ein Lebensmittel aus rohem Fleisch bei langer Lagerung extrem anfällig für den Befall von Mikroorganismen ist. Obwohl das Herstellen von Wurstwaren oder Schinken die beste Möglichkeit ist, Fleisch haltbar zu machen, muss man sich sicherheitshalber einiger Hilfsmittel behelfen.

Wir haben je ca. 2,5 kg Reh- und Schweinefleisch verarbeitet, wobei das Rehfleisch sehr mager war, und wir zu dem Wildschweinfleisch noch etwas fetten Schweinebauch dazu gegeben haben. Da hilft es natürlich, einen erfahrenen Fleischer in der Familie zu haben. Der kennt die Tricks.

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Rezept und Anleitung für Wild-Rohwurst

Für ein schönes Schnittbild, sollte das Fleisch von bester Qualität, ohne Schwarte und Knochen sowie frei von Sehnen sein.

Pro Kilo Wurstbrät:

300 g fetter Bauchspeck ohne Schwarte
300 g mageres Schweinefleisch (in unserem Fall Wildschwein)
400 g mageres Rehfleisch (alternativ Rind)

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Je Kilo Fleisch kommen folgende Zutaten, die die Haltbarkeit gewährleisten sollten, zum Einsatz:

24 g Pökelsalz

Pökelsalz enthält Nitrit, welches das Wachstum gefährlicher Keime hemmt (z.B. Salmonellen oder Clostridium Botulinum*) und ein Umröten der rohen Fleischmasse erzeugt. Zunächst wird das Brät nach Abfüllen in Därme grau und färbt sich dann nach einigen Stunden rot.

* Botulinumtoxin, das Gift, welches von bestimmten Keimen des Bakterium Clostridium botulinum produziert wird, lähmt das vegetative Nervensystem und gehört zu den stärksten bekannten Giften. Was ist los mit den Leuten, die sich genau dieses Botox-Gift regelmäßig in die Stirn spritzen lassen?

Gerade während der Herstellung, ist die Gefahr, das sich Bakterien im

Brät vermehren am größten:
- es steht viel Wasser zur Verfügung
- das Fleisch bekommt durch das zerkleinern eine extrem große Oberfläche
- Keime können aus der Umgebung in das Wurstbrät gelangen

Aus diesen Gründen sollte man nicht auf den Zusatz von Nitritpökelsalz verzichten. In der fertig gereiften Wurst ist übrigens ein Großteil des zugefügten Nitrits nicht mehr nachweisbar, da zu Nitrosaminen reagiert, die von Bakterien abgebaut werden.

0,5 g Starterkultur

Die Starterkultur besteht aus verschiedenen Mikroorganismen, beispielsweise Milchsäurebakterien, die für eine kontrollierte Säuerung des Fleischbräts zuständig sind.
Diese Bakterien wandeln die im Fleisch enthaltenen und mit der Starterkultur zugefügten Zucker in Milchsäuren um, wodurch der pH-Wert auf unter 5,4 sinkt. Unerwünschten Keimen wird dadurch das Überleben erschwert.
Dabei unterstützen die zugefügten Bakterien die fleischeigenen Enzyme, die ebenfalls für eine Säuerung des Fleisches zuständig sind (anaerobe Glykolyse).

1 g Ascorbinsäure

Ascorbinsäure unterstützt zum einen den Prozess der Umrötung durch Nitrit, zum anderen wird mit Hilfe von Ascorbat (das Salz der Ascorbinsäure) Stickoxid gebildet und die Nitrosaminbildung vermindert.

Außerdem Gewürze nach Vorliebe und Geschmack, jedoch in jedem Fall viel schwarzer Pfeffer:

5 g schwarze Pfefferkörner
1 g Paprikapulver, scharf und geräuchert
1 Wacholderbeere
1 g Knoblauchpulver
10 Fenchelsamen
1 Kardamomkapsel

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Abgefüllt wird die Masse in Kunst- oder Naturdärme, die wasserdampf- und rauchdurchlässig sind. Das "Kaliber" gibt dabei den Durchmesser der gefüllten Därme an. Je dünner, desto schneller reift und trocknet die Wurst.

Wir haben essbare Eiweißdärme mit Kaliber 40 verwendet.

Vorgehensweise

Geräte:

Fleischwolf oder Küchenmaschine mit Aufsatz.
Lochscheiben in 2 und 5 mm
Einen Aufsatz (ca. 2-3 cm Durchmesser) zum Füllen der Wurst
2 große Schalen zum Mischen der Hackmasse

Das Fleisch sollte leicht angefroren sein. Zunächst das Fleisch grob würfeln und getrennt (Schwein und Reh) in Schalen füllen.

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Die Hälfte des Rehfleisches mit der 2 mm Lochscheibe wolfen und zusammen mit dem ungewolften Rehfleisch zu dem Schweinefleisch geben.

Das Nitritpökelsalz, die Starterkultur und die Ascorbinsäure zufügen. Die Gewürze sehr fein mörsern oder mahlen, ebenfalls dazu geben und alles gut vermischen.

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Nun das gesamte Fleisch mit der 5 mm Lochscheibe wolfen.

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Mit den Händen gut vermengen, bis die Masse anfängt, sich zu verbinden.

Schließlich das Wurstbrät in die Hüllen füllen. An einem kühlen, nicht zu trockene Ort für mindestens einen Monat reifen lassen. Ich habe die Würste in unseren Kellerabgang gehängt. Dort sind zur Zeit um die 12 °C.

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Der Reife-Prozess:

Zunächst sinkt der pH-Wert während der Reifephase. Durch den niedrigen pH-Wert wird die anfänglich mett-ähnliche Masse zu einer festen und schnittfähigen Gallerte. Gegen Ende der Reifung steigt der ph-Wert dann wieder an, wodurch die Wurst ihren anfänglich leicht sauren Geschmack verliert. Die fertige Wurst hat dann etwa 30 % des anfangs enthaltenen Wassers verloren.

Durch die Zersetzung von Kohlehydraten, Eiweiß und Fett (Fermentation, Proteolyse und Lipolyse) entstehen zudem komplexe Aromen. Bei manchen Rohwürsten, wird die Oberfläche zusätzlich mit bestimmten Pilz-Kulturen besetzt, was für weiteren Geschmack sorgt.

Nicht zu unterschätzen sind übrigens auch die Aromastoffe, die durch den zugefügten Pfeffer während der Reifung entstehen. Diese sind auch in Lorbeer, Wacholder oder Kardamom enthalten, was vielleicht auch die Gewürzmischungen erklärt, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Anfangs wurde vielleicht nur mit Salz und Pfeffer gewürzt, worauf die charakteristischen Aromen des Pfeffers durch zusätzliche, entsprechende Gewürze verstärkt wurden.

Bis Ende November müssen die Würste nun reifen. Wenn die Oberfläche leicht schmierig wird, müssen sie mit 3 %iger-Kochsalzlösung abgewaschen werden. Von dem Ergebnis werde ich demnächst berichten.

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