Wildschweinschinken

Wildschweinschinken - Finale

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„Der Schinken sieht gut aus, aber er sollte jetzt nicht mehr zu lange im Keller hängen, sonst wird er außen zu trocken.“

Die Berichte meines Blogs sind ziemlich aktuell und in der Regel zeigen sie das, was gerade bei uns im Kühlschrank, auf dem Teller oder eben im Keller liegt bzw. hängt.

Mein Vater rief mich also an und beurteilte anhand der letzten, hier veröffentlichten Bilder den aktuellen Stand der Wildschweinschinken. Die Oberfläche des Fleisches zeigt einem erfahrenen Fleischer natürlich den Status der Fertigung an. Durch das Räuchern bildet sich eine Art goldfarbene Räucherhaut, die jedoch nicht zu trocken und dick werden darf. Andernfalls verhindert diese während des Räucherns und späteren Reifens, das stetig Feuchtigkeit aus dem Inneren des Fleisches nach außen dringt.

Der Weg zum fertigen Schinken war etwas unkonventionell. Direkt nach dem Zerteilen der Wildschweinkeule habe ich die Stücke im Wechsel mit grobem Meersalz* in einer Schale geschichtet. Zuhause angekommen, habe ich klassische Gewürze wie Lorbeer, Piment und Senfkörner grob gemahlen und zugefügt und alles nochmals gut vermischt. Nach einigen Tagen hatte sich durch die extrem hohe Salzkonzentration viel Lake durch den austretenden Fleischsaft gebildet. Lediglich die obersten Stücke waren nicht komplett mit Lake bedeckt.

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*Wer eine schöne rote Farbe der Schinken erhalten will, sollte zum Umröten Nitritpökelsalz verwenden. Dies verringert auch das Risiko von Botolismus-Erregern ("Botulus" ist übrigens das lateinische Wort für "Wurst").

Nach etwa einer Woche habe ich das Fleisch meinem Vater übergeben, der die Lake soweit verdünnt hat, bis der Salzgehalt im Schinken bei etwa 3 % lag.

Danach habe ich die Schinken wieder abgeholt und sie 3 Tage im Garten zum "Durchbrennen" aufgehängt. Dabei verteilt sich der Salzgehalt gleichmäßig im Fleisch und die Oberfläche wird etwas trockener. Nach drei Räucherdurchgängen von etwa sechs Stunden waren die Schinken schließlich fertig und mussten nur noch eine Zeit lang im Keller reifen.

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Überprüft hat mein Vater den Salzgehalt im Schinken mit einem Gerät namens "Pökeltester PT 101" mit aufgedruckter vierstelliger Postleitzahl!. Leider sind diese Art Messinstrumente mit einem Neupreis von ca. 400 € recht kostspielig. Ein günstigeres Messinstrument ist ein "Lake-Messer", dazu später mehr.

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Mittlerweile sind die Schinken verköstigt und für gut befunden worden und ich habe mich daran gemacht, ein nachvollziehbares Rezept zu entwerfen. Und damit wären wir bei den Nachteilen eines Food-Blogs: manche Artikel entwickeln sich zu Monstern, die nur schwer im Zaum zu halten sind. Beim Rezept-Schreiben komme ich oft vom eigentlichen Thema ab, da ich immer wieder hinterfrage, ob oder warum einzelne Schritte nötig sind. Im Falle des Schinkens betrifft dies zum Beispiel das Salzen, Räuchern und Reifen bzw. Trocknen.

Um also das Rezept-Ungetüm in geordnete Bahnen und das "Schinkenthema" zum Abschluss zu bringen, hier ein nachvollziehbares und hoffentlich nicht zu langes Rezept. Es lässt sich mit einfachen Mitteln nachmachen, man benötigt lediglich etwas Geduld. Das Ergebnis lohnt sich.


Rezept für gepökelten und kalt geräucherten Roh-Schinken

Gewürze: Lorbeer, Senfkörner, Piment, Wacholder, Pfefferkörner (gemessen am Gewicht des Schinkens)

Mageres Schweinefleisch (z.B die „Kugel“ aus einer Schweinekeule).

Das Fleisch sollte eine möglichst glatte Oberfläche haben, also sauber pariert werden. Dabei sollte man jedoch etwas Fett am Fleisch lassen, da dieses sehr gut Raucharomen beim Räuchern aufnimmt.

Pökeln

Eine passende Schale, möglichst mit Deckel auswählen. Nach dem Trockenpökeln wird im nächsten Schritt Wasser zum Verdünnen der Lake verwendet. Die Schale sollte also einen nicht zu flachen Rand haben und auch nicht zu groß sein. Das zugefügte Wasser sollte das Fleisch später komplett bedecken.

Die Schale auf eine Waage stellen, auf 0 tarieren und das parierte Fleisch hinzugeben. Das Gewicht notieren.
Nun 6 % der Fleischmenge an Pökelsalz (alternativ: Meersalz) dazu geben und das Fleisch kräftig damit einreiben. Für ein Kilo Fleisch also 60 g Salz.

Nach Wunsch trockene, grob gemahlene Gewürze zufügen, z.B.

2 Lorbeerblätter
3 Wacholderbeeren
10 Pfefferkörner
5 Pimentkörner
je 2 TL Senf- und Koriandersamen

Keinen frischen Knoblauch oder Zwiebeln verwenden, da dann die Gefahr besteht, dass die Lake gärt.

Die Schale abdecken und an einem kühlen Ort (höchstens 15 °C) etwa 3-4 Tage stehen lassen. Das Fleisch währenddessen einmal täglich wenden.

Da es sich bei dem hier gezeigten um einen Rohschinken handelt, wird die Haltbarkeit in erster Linie durch das zugefügte Salz gewährleistet. Indem dieses in das Fleisch eindringt, hemmt es Mikroorganismen und Keime. Natrium- und Chlorid-Ionen gelangen in Zellen von möglichen Mikroben, wodurch diese absterben oder zumindest ihre Aktivität stark verlangsamt wird.
Als es noch keine so komfortablen Kühlmöglichkeiten wie heute gab, musste das Fleisch zur Sicherheit einen Salzgehalt von 5-7 % enthalten, um über Monate gelagert werden zu können. Die Schinken waren also viel salziger als heute. Demzufolge sollte der Schinken heutzutage bei einer geringeren Salzmenge nach Fertigstellung auch im Kühlschrank gelagert und in den nächsten 3-4 Wochen verbraucht werden.

Nach einiger Zeit bildet sich durch Fleischsaft und Salz eine hochkonzentrierte Salzlake. Damit der Schinken nicht zu salzig wird, verdünne ich nun die Lake mit vorher abgekochtem Wasser. Es sollte wieder erkaltet sein.
Dem notierten Gewicht des Fleisches entsprechend, füge ich die gleiche Menge an Wasser hinzu. Das Fleisch sollte nun komplett bedeckt sein und bleibt für weitere 5 Tage in dieser Lake.
Die Konzentration in der Lake wird zunächst niedriger sein als im Fleisch. Dadurch diffundiert das Salz (Na- und Cl-Ionen) aus dem Fleisch ins Wasser, bis überall die gleiche Konzentration herrscht. Diese liegt dann bei ca. 3 %.

Tipp: Um den Salzgehalt in der Lake zu messen, eignet sich ein ebenso genannter „Lake-Messer“, den man für unter 10 € bekommt. Dieses Messinstrument sieht aus wie ein altes Thermometer mit einer Skala die den Salzgehalt der Lake in Prozent anzeigt. Allerdings können damit, im Gegensatz zum legendären "Pökeltester" nur Konzentrationen in Flüssigkeiten, nicht im Fleisch gemessen werden.

Nachbrennen

Den Schinken aus der Lake nehmen und 3-4 Tage ruhen lassen, damit das Fleisch einen durch und durch gleichmäßigen Salzgehalt hat. Dieser Prozess nennt sich „Nachbrennen“. Anfangs sind die äußeren Bereiche noch salziger als die inneren. Den Schinken möglichst auf einem Gitter im Kühlschrank lagern, damit rundherum die Luft zirkulieren kann.

Kalträuchern

Die Schinken mit einem Band versehen, damit sie aufgehängt werden können. Hierfür habe ich heimlich die Häkelnadel unserer Tochter verwendet.

In einem Kugelgrill ein luftdurchlässiges Behältnis mit Buchenholzspäne entzünden. Hierfür gibt es spezielle, unter dem Begriff „Sparbrand“, diverse Produkte aus Edelstahl. Die Späne brennen darin nach und nach ab.

Die Temperatur während des Räucherns sollte bei höchsten 10 °C liegen. Ansonsten können sich anaerobe Keime vermehren. Damit sich auf dem Fleisch keine zu starke "Räucherhaut" bildet, sollte zudem bei sehr trockenem Wetter die Luftfeuchtigkeit in der Räucherkammer durch eine Schale mit warmem Wasser angehoben werden.
Das Sägemehl muss dagegen trocken sein, damit es bei optimaler Temperatur glimmt.

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Insgesamt räuchere ich das Fleisch 3 mal 6 Stunden (so lange glüht die Späne im Behältnis), wobei ich dazwischen eine Pause von ein paar Stunden einfüge.

Reifen

Die optimalen Bedingungen zum Reifen des Schinkens sind 5-10 °C bei 65-75 % Luftfeuchtigkeit und passen somit genau in die Jahreszeit. Alternativ empfiehlt sich die Lagerung im Gemüsefach des Kühlschranks.

Während des Reifens verliert der Schinken Flüssigkeit, wodurch sich sein Aroma verdichtet und der Salzgehalt auf das Gewicht bezogen steigt.
Zudem werden durch verschiedene Enzyme diverse lange Moleküle in kürzere und aromatischerer Teile gespalten.

Wer Spaß an der Schinkenproduktion hat, kann natürlich auch mit Fleisch von Rind oder Ente experimentieren. Auch Stücke vom Schwein mit hohe Fettgehalt (z.B. Bauch) liefern tolle Ergebnisse, benötigen allerdings etwas mehr Zeit beim Pökeln. Doch das ist ein anderes Thema. Jetzt muss erstmal Schluss sein.

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Wildschweinschinken

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Der Winter hat mich, wie so viele Autofahrer auch, plötzlich und unerwartet überrascht. Man konnte natürlich nicht damit rechnen, dass es noch einmal Schnee geben würde und so musste ich gestern erst einmal Winterreifen aufziehen. Außerdem wollte ich die vorbereiteten Schinken eines vor kurzem verarbeiteten Wildschweines räuchern. Die Stücke aus der Keule des etwa einjährigen Tieres, ein so genannter Überläufer, hatte ich zunächst einige Tage in Salz eingelegt.

Verwendet habe ich übrigens die drei großen Teilstücke der Hinterläufe:

- Kugel (auch "Nuss" genannt zusammen mit dem aufliegenden Bürgermeisterstück)
- Oberschale
- Unterschale (ohne "braunen Streifen" bzw. Semerrolle).

Nachdem sie nun zwei Tage im vor sich hin rauchenden Kugelgrill hingen, kam der Frost und ich musste die Stücke erst einmal im Keller aufhängen. Nun trocknen die Schinken aufgereiht an einem Stock und verströmen einen herzhaften Räucherduft.

„Ist das nicht ungünstig, wenn diese Schinken zusammen mit der frisch gewaschenen Wäsche im gleichen Raum hängen?“ fragte mich Anja schmunzelnd. Ich dagegen hatte eher überlegt, ob beim Reifen der Wildschwein-Stücke vielleicht noch etwas Fett auf den darunter stehenden Wäscheständer tropfen würde.

Zum kompletten Herstellungsprozess gibt es in den nächsten Tagen einen extra Blog-Eintrag, sobald die Schinken fertig sind.

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Bis dahin baumeln die Wildschweinstücke jetzt vor unserem Heizungskeller. Da dieser Raum nicht besonders hoch ist, muss man sich nun etwas ducken, damit einem nicht das Schweinefett in den Haaren hängt. Aber es gibt Männer, die haben noch viel bescheuertere Hobbys und kleben aus Streichhölzern die Titanic zusammen. Und da wissen die Frauen oft auch nicht, wo sie die hinstellen sollen.