Mohplattl - Ein schnelles Weihnachtsdessert

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Weihnachten und die Tage davor waren in meiner Jugend die Zeit, in der mir stets meine schlesischen Wurzeln bewusst wurden.

Neben den klassischen, weihnachtlichen Gerichten wie Karpfen, Schlesischer Weißwurst und Häckerle wurde in einer großen Schüssel traditionell eine Süßspeise namens „Mohplattl“ serviert. Ich dachte jedenfalls bis vor kurzem, dass dies der allgemein bekannte Name wäre.

Denn der Eigensinn meiner Familie väterlicherseits zeigt sich schon an der Bezeichnung „Mohplattl“.

Sucht man nach diesem Begriff im Internet, findet man erstaunlicherweise keinen einzigen Eintrag. Nach längerer Recherche fand ich heraus, dass in ganz Schlesien das Gericht eigentlich "Mohkließla" genannt wurde. Und obwohl meine Familie „Kluske“ heißt, was vom polnischen für „Kloß“ abstammt, wurden „Mohnklöße“ bei uns stur als Mohplattl bezeichnet. Für diesen Nachtisch werden schließlich Scheiben von altem Weißbrot im Wechsel mit Mohn, Rosinen und Mandeln geschichtet, was viel eher „Platten“ ergibt, als Klöße. Da ist ein Kloß-Kluske eigensinnig.

Aber nicht nur beim Essen zeigte sich dieser Eigensinn. Wenn mein Großvater eine Aufgabe für mich hatte, beispielsweise den Gartenzaun mit Altöl* zu streichen oder den komplett durch und durch verschimmelten Kompost umzuschichten (es gab damals noch keine Biotonne, also landete alles auf dem Kompost), setzte er sich auf einen Stuhl neben mein Bett, verschränkte die Finger und ließ die Daumen umeinander kreisen.

Ich schlief noch fest, es war meistens Samstag oder Sonntag gegen 7 Uhr. Irgendwann bemerkte mein Unterbewusstsein eine Veränderung im Zimmer und ich schreckte hoch. Vielleicht erzeugte das Daumenkreisen auch eine bestimmte Schwingung, die mich aufwachen lies. Mein Opa hat dann nicht groß um den heißen Brei geredet, sondern ziemlich knapp die konkrete Anweisung gegeben: „Kommste mal Zaun streichen.“

* Nein, es ist nicht in Ordnung, einen Zaum mit Altöl zu streichen. Das ist verboten. Ich glaube, auch damals war es schon verboten aber ich habe ja nur einen Auftrag ausgeführt. Ich war jung und brauchte das Geld.

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Mein Vater hatte, und jetzt kommen wir zur idyllischen Vorweihnachtszeit, meist kompliziertere, aufregenderer Aufgaben.

Immer kurz vor Weihnachten, wenn die Straßen verschneit und glatt waren, neigte sich der Sägemehl-Vorrat für die Räucherkammer unserer Fleischerei dem Ende zu. Um Geld zu sparen (der Schlesier ist in kleinen Dingen sparsam, dafür großzügig im Großen), haben wir uns dann Sonntag früh einen Pferdehänger geliehen und sind Richtung Hildesheim zum Sägewerk gefahren. Nachdem wir die Plane des Anhängers entfernt hatten, wurde von oben durch ein dickes Rohr das Sägemehl hineingepumpt. Viel Sägemehl!
Oben auf dem Späneberg sprang dann mein Vater in einer Fleischerjacke mit Kapuze herum, um die Masse zu verdichten, was bei seinem Kampfgewicht von 120 kg auch ganz gut klappte. Als er stolz und voller Späne aus dem Wagen hüpfte, fragte ich ihn, ob es normal sei, dass zwischen den Reifen des Hängers und dem darüber liegenden Schutzblech kein Zwischenraum sei. Er war zwar etwas nervös, aber Späne wieder aus dem Hänger zu schaufeln, hielt er für keine Option. Wir könnten ja etwas langsamer zurück fahren.

Auf spiegelglatten Nebenstraßen rutschten wir also mit schleifenden Reifen mit etwa 30 km/h Richtung Heimat. Nach einiger Zeit reihte sich in die Karawane, deren Spitze wir bildeten, auch ein Polizei-Wagen. Der überholte uns natürlich und hielt uns an. Zwei Beamte stiegen aus und wollten die Papiere überprüfen. Nach Rücksprache mit der Zentrale, die den Besitzer des Hängers kontaktierte, wurde ihnen bestätigt, dass man mit dem geliehen Pferdehänger auch Sägemehl transportieren dürfe.
Damit waren sie erstaunlicherweise zufrieden. Dass wir etwa 5 Tonnen Späne im Hänger hatten und sich die Reifen kaum noch drehen konnten, war ihnen egal. Also eierten wir langsam weiter nach Hause.
Mein Vater hatte während der ganzen Fahrt so ein oberschlesisches Grinsen im Gesicht. Das hat er immer, wenn er ein Schnäppchen gemacht hat oder es zumindest glaubt.

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Wie leite ich jetzt von Sägemehl zu Mohplattl über?

Im Rezept unserer Familie werden altbackene Brötchen in dünne Scheiben geschnitten und dann in Lagen in eine große Schale geschichtet. Die Schichten werden dann immer mit kochender Milch begossen und mit gemahlenem Mohn, Rosinen und Mandeln bestreut.

Diese Rezept habe ich etwas abgewandelt. Nach dem Motto „stelle dich den Dingen, die du fürchtest oder hau lieber ab“ verwende ich keine Rosinen. Da eine Glasschale voll Brötchenmatsche mit Mohnmilch auch nicht unbedingt der Gipfel des Food-Stylings ist, richte ich meine Version in einem Servierring an. Der Schlesier würde wohl nur mit dem Kopf schütteln.

Da fällt mir noch eine Geschichte ein, als mich mein Vater beim Metro-Großeinkauf kurz vor Weihnachten allein in der Schlange vor der Kasse stehen ließ. Ich war 12 Jahre, wir hatten vier riesige Einkaufswagen voll geladen (diese Wagen sind etwa 2,5 m lang) und mein Vater verschwand mit den Worten „ich gehe nochmal kurz nach den Pralinen sehen“ und verschwand. Nachdem ich eine Stunde später vollkommen durchgeschwitzt vor unserem Transporter stand, kam er gut gelaunt mit einer Packung "Mozartkugeln" unter dem Arm und sagte, er hätte noch jemanden getroffen.

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Aber jetzt zum Rezept für Mohnkließla oder Mohplattl:

Für 8 Personen

1 Brioche - in ca. 1 cm dicke Scheiben geschnitten
50 g Mohn - gemahlen
50 g Zucker
1 TL Butter
250 ml Milch
50 g Pflaumenmus

Den Mohn in einem Topf mit der Butter anrösten. Mit Milch ablöschen und den Zucker zufügen. Wenn die Milch gerade anfängt zu kochen und sich der Zucker aufgelöst hat, den Topf vom Herd nehmen.

Mit einem runden Servierring (ca. 6 cm Durchmesser ) aus den Brioche-Scheiben pro Personen 3 Kreise ausstechen. Zum Vorbereiten hilft es, wenn man mindestens 4 Servierringe zur Verfügung hat.

Eine Brot-Scheibe mit Pflaumenmus bestreichen und in den Servierring legen. Etwas Mohnmilch dazu geben, so dass das Brot gerade vollgesogen ist. Mit den beiden anderen Scheiben genauso verfahren.

Für das Knusper-Topping:

50 g Mandelblättchen
1 EL Zucker
50 g Brioche-Reste - sehr fein gewürfelt
1 TL Mohn

Alles zusammen in einer Pfanne anrösten und auf Küchenpapier entfetten. Einige Knusper-Mandeln auf das Brot im Servierring geben.

Zum Anrichten auf jeden Teller einen Joghurt-Spiegel streichen und in einem großen Kreis etwas Honig zufügen. Darauf einige Orangenfilets oder Mangowürfel und das Knusper-Topping verteilen. Den Ring mit dem Toastbrot mittig auf den Teller stellen und vorsichtig abziehen.


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