Bürgermeisterstück

Bürgermeisterstück vom Grill

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Schon zu Zeiten unserer Großeltern war es beliebt: das etwa 1,2 kg schwere Bürgermeister- oder Pastorenstück.
Der Name entstand, da dieser zarte Muskel aus der Keule des Rindes meist dem welt- oder geistlichen Würdenträger vorbehalten war und diesem sonntags als Schmorbraten serviert wurde.

Der wegen seiner Form auch Tri-Tip genannte Schnitt besteht aus sehnenfreiem Muskelfleisch mit recht langen Fasern. Wenn das Fleisch gut gereift und fettmarmoriert ist, lässt es sich wie ein Rückenstück zubereiten, kostet diesem gegenüber bei gleicher Qualität jedoch etwa nur ein Drittel des Preises.

Durch den relativ geringen Kollagengehalt, ist es zum Schmoren eigentlich nicht so geeignet und daher in letzter Zeit etwas in Vergessenheit geraten.

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Auf der Oberseite befindet sich eine recht dicke Fettschicht, die zusammen mit der sehr feinen, darunter liegenden Silberhaut entfernt werden sollte.

Legte man das Fleisch auf den Grill ohne die Fettschicht zu entfernen, würde sich das herab tropfende Fett entzünden und der Grill in Flammen stehen. Der sich dann auf dem Fleisch bildende schwarze Schleier ist weder gesund noch besonders appetitlich. Das Fett muss also weg!

Hat man es entfernt und das Fleisch sauber pariert, sieht man sehr gut den Verlauf der Fasern - von links oben, schräg nach rechts unten (siehe Bild links).

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Gegenüber einem Roastbeef liegt der Vorteil darin, dass sich unter der Fettschicht keine dicke Sehne mehr befindet. Man kann also die Abschnitte, die beim Zuschneiden des Pastorenstücks übrig bleiben, einfrieren und später für leckere Burger* verwenden.

Die Anatomie:

Beim Menschen ist der entsprechende Muskel (lat: tensor fasciae latae) ein Teil der Hüftmuskulatur. Die Sehnen, mit denen er am Skelett befestigt ist, sind zum einen am Hüftknochen, zum anderen am Unterschenkel, direkt unterhalb des Knies befestigt.
Besonders stark ausgeprägt ist der Muskel bei gut trainierten Sprintern. Dies erklärt auch, warum er bei Rindern nicht besonders stark beansprucht wird. Rinder sprinten nur selten, so bleibt das Fleisch zart.

Die Oberseite des Bürgermeisterstücks, auf der sich auch der oben gezeigte Fettdeckel befindet, liegt direkt unter der Haut. die untere Seite auf der so genannten "Kugel".

Bei einer groben Zerlegung der Keule, würde man zunächst neben der Kugel noch Ober- und Unterschale, sowie Hesse und Hüfte als Teilstücke voneinander trennen.

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Die Zubereitung:

Das Fleisch von dem aufliegenden Fettdeckel befreien und großzügig mit grobem Meersalz würzen.
Für 24 Stunden auf einem Rost in den Kühlschrank stellen. Die Luft sollte zirkulieren können.

Tags darauf bei 80 °C Umluft im Backofen bis zu einer Kerntemperatur von ca. 50 °C garen. Dies dauert je nach Größe etwa 40-50 min.

Eine Gartemperatur von 80 °C hat sich für mich als guter Kompromiss zwischen der Zubereitungszeit und einem möglichst gleichmäßig gegarten Fleisch heraus gestellt.
Wenn die Zeit nicht drängt, bietet sich folgende Methode an (
-> klicken).

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Auf den Grill damit:

Der Grill sollte so heiß wie möglich sein. Das Fleisch rundherum scharf anbraten und dabei häufig wenden. Dabei mit einem Thermometer die Kerntemperatur überprüfen. Sie sollte je nach Vorliebe etwa 52-55°C betragen und wird während der anschließenden Ruhephase noch um etwa 3 °C steigen.

Das Fleisch unbedingt ruhen lassen.

Bevor das Fleisch dünn aufgeschnitten wird, muss es mindestens 15-20 min ruhen. Andernfalls läuft sehr viel Fleischsaft heraus.

Beim Abkühlen dickt diese Flüssigkeit durch gelöste Proteine etwas ein. Eine gute Möglichkeit ist, das Tri-Tip für etwa eine halbe Stunde bis zum Servieren in den 55 °C warmen Ofen zu stellen. Somit kühlt es nicht zu stark aus und gart nicht mehr weiter. Die Temperaturunterschiede zwischen der heißen Oberfläche des Fleisches und dessen Inneren gleichen sich zudem aus.

Es ist übrigens eine falsche Vorstellung, dass sich während der Ruhephase die "Säfte neu verteilen". Wasser diffundiert nur sehr langsam durch Muskelgewebe und wird beim Braten nicht einfach in die Mitte gepresst.
Was zusätzlich zum Eindicken der Proteine jedoch passiert, ist, dass der durch das Braten unregelmäßige Abstand der Muskelfasern zueinander wieder gleichmäßiger wird. Beim Erhitzen wird an Protein gebundenes Wasser frei. Liegen die einzelnen Muskelfasern jedoch wieder dichter zueinander, kann das ungebundene Wasser durch Polarität zwischen den Fasern gehalten werden und läuft beim Anschneiden nicht so schnell heraus.


Zum Servieren das Stück schließlich dünn gegen die Faser aufschneiden. Das Fleisch auf dem Bild hat eine Kerntemperatur von 55 °C.

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Wenn etwas Fleisch übrig bleibt, dieses dünn aufschneiden und mit Senf oder Remoulade auf Sauerteigbrot genießen. Es steht einem guten Roastbeef in nichts nach.

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* Für Burger-Pattys verwende ich eine Mischung aus Fleisch aus dem Rinderhals oder -Nacken sowie die fetthaltigen Abschnitte, die bei dem Zuschnitt von Steaks oder einem Braten anfallen. Insgesamt sollte der Fettgehalt des gewolften Fleisches schließlich bei etwa 15-20 % liegen.