Chai-Invertsirup

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Heute folgt zum Thema Zucker eine weitere, praktische Anwendungsmöglichkeit:
Ich habe eine Art Chai-Sirup mit Sternanis und Kardamom hergestellt. Dieser schmeckt hervorragend in Kaffee, aufgeschäumter Milch oder Tee, eignet sich aber auch als Süßungsmittel für Früchte oder Nachspeisen.

Eine tolle Geschenkidee, wenn man ihn in ein dekoratives Gefäß füllt, denn er hält ähnlich lange wie Honig.

Mit zugefügten Gewürzen, Kräutern oder auch Zitrusschalen lässt sich der Sirup je nach Wunsch aromatisieren.


Rezept für Chai-Sirup

1 Zimtstange (Ceylon)
3 Sternanis
1 Pimentkorn
1 Nelke
1/2 TL Fenchelsamen
4 grüne Kardamomkapseln

Alle Gewürze in einem Topf in 1 TL Rapsöl anrösten, bis sie anfangen zu duften.

140 g Wasser
250 g Haushaltszucker
1 TL Zitronensaft

dazu geben und rühren, bis sich der Zucker komplett aufgelöst hat; etwa 90 min. bei 90 °C ziehen lassen. Wenn man die Gewürze einige Tage im Sirup lässt, wird das Aroma noch etwas intensiver. Außerdem sieht es ganz hübsch aus.

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Was passiert bei dieser Rezept-Zubereitung?

Invertsirup wurde früher "Honig der Armen" genannt. Geschmacklich erinnert er zwar nicht an diesen, hat mit den meisten Honigsorten jedoch gemeinsam, dass er größtenteils aus den Einfachzuckern Fructose und Glucose besteht. Im Gegensatz zu Zweifachzucker Saccharose (Kristallzucker), ist Invertzucker immer ein Sirup und somit flüssig.

Wie schon im Bericht über Zucker erwähnt, handelt es sich also nicht um in Wasser gelöste Saccharose (Läuterzucker), denn diese würde bei hoher Konzentration wieder kristallisieren. Ab einem Volumenverhältnis von zwei Teilen Zucker und einem Teil Wasser ist diese Lösung bei Zimmertemperatur gesättigt und neigt dazu, durch Verunreinigungen oder kleine Zuckerkörner am Rand des Topfes, Kristalle zu bilden.

Bei Invertzucker erreicht man durch längeres Erhitzen bei ca. 90 °C und Zugabe von etwas Säure, dass sich Fructose und Glucose, aus denen Saccharose besteht, nicht wieder verbinden und der Sirup flüssig bleibt. Mit etwas Natron kann man die Säure neutralisieren.

Der Name Invertzucker ist übrigens darauf zurückzuführen, dass man mit polarisiertem Licht, welches beim Durchleuchten der Lösung abgelenkt wird, den Anteil an Fructose und Glucose bestimmen kann. Die Drehrichtung des Lichts wird bei höherem Anteil an diesen Molekülen schließlich umgekehrt (Inversion), was man mit einem Polarimeter verfolgen kann. Der Sirup besteht schließlich aus etwa 75 % Glucose und Fructose, sowie 25 % Saccharose.
Invertzucker kann neben der Hydrolyse durch Säure übrigens auch durch ein Enzym (Invertase) hergestellt werden. Dieses Enzym ist auch im Speichel von Bienen enthalten.

GZSZ - Gute Zucker, schlechte Zucker

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„Weißer Zucker enthält nur leere Kalorien.“
„Honig ist gesünder als Rohr- oder Rübenzucker.“
„Agavensirup ist viel gesünder als Rohrzucker“ oder aber: „Agavensirup ist noch schlimmer, denn davon bekommt man eine Fettleber.“
„Brauner Zucker ist gesünder als weißer.“

Das sind nur einige Aussagen, die einem auf der Suche nach schnellen Informationen über Zucker präsentiert werden. Aus irgendeinem Grund scheint man gerade bei Haushaltszucker Anstoß an der weißen Farbe zu nehmen. Möglicherweise weil man damit Drogen und Medikamente assoziiert.
Wenn man sich dem Thema Zucker auf die wissenschaftliche, zugegebenermaßen etwas trockene Art nähert, hilft dies dabei, einige dieser Vorurteile aus dem Weg zu räumen.

Glucose & Fructose

oder anders gesagt: Trauben- und Fruchtzucker. Das bleibt, wenn man sich dem Thema "Zucker" emotionslos nähert. Denn alle später noch erwähnten süßen Produkte bestehen aus mindestens einem dieser Einfachzucker (Monosaccharid).

Genau genommen ist Zucker natürlich nur ein kleiner, süß schmeckender Teil der großen Welt der Kohlenhydrate; mit beeindruckender Wirkung:

Im Hirn geht nichts ohne Glucose!

Zucker haben einen hohen Energiegehalt, der bei gleicher Gewichtsmenge etwa 60 % von Benzin ausmacht. Zudem steht diese Energie direkt nach dem Verzehr zur Verfügung.

Unser Körper, insbesondere unser Gehirn, giert nach dieser Energie. Ein durchschnittlicher Erwachsener benötig im Ruhezustand ca. 200 g Glucose am Tag, sein Gehirn etwa 75 % davon. Nimmt man größere Mengen zu sich, wird der Überschuss gespeichert; für schlechte Zeiten, die allerdings meistens nicht kommen, denn Produkte mit Saccharose sind billig und jederzeit verfügbar.

Die beiden oben erwähnten Monosaccharide sind das, was unserem Körper nach Spaltung von Polysacchariden über Oligosacchariden zu Disacchariden als reichlicher Energieträger zur Verfügung steht. Diese Spaltung findet in unserem Verdauungssystem an unterschiedlichen Stellen statt. Fructose wird erst nach Aufnahme über den Dünndarm in der Leber metabolisiert, also "verstoffwechselt".


Süß und süßer

Unsere Zunge signalisiert uns bei folgenden Zuckern, dass wir etwas Süßes und Energiereiches verspeisen. Geht man dabei davon aus, dass Saccharose (Haushalts- oder Kristallzucker) einen Süßwert von 100 hat, ergibt sich folgende Tabelle:

Fructose: 120
Saccharose: 100 (Fructose + Glucose)
Maltose: 60 (Glucose + Glucose)
Glucose: 50

Fructose ist also der süßeste Zucker dieser Reihe. Dies erklärt die unterschiedliche Süße der verschiedenen später erwähnten Produkte, die im Handel erhältlich sind.
Obwohl sich diese, abgesehen vom Geschmack, grundsätzlich nur durch das Verhältnis zwischen Fructose und Glucose unterscheiden, variieren sie stark im Preis.
Daher besteht auch immer die Gefahr, das Produkte gestreckt, falsch deklariert, völlig überteuert oder viel zu billig angeboten werden.
Wenn also Ahornsirup extrem günstig im Angebot des Discounter auftaucht, könnte es sich möglicherweise um ein neu interpretiertes Produkt aus China handeln.

Fructose ist nebenbei bemerkt auch der am besten wasserlösliche Zucker (vier Teile Fructose lösen sich bei Raumtemperatur in einem Teil Wasser). Zwei weitere auch für die Industrie interessante Eigenschaften sind der niedrige Schmelzpunkt (105 °C) und die Tatsache, das die Fruchtzucker bei 60 °C nur noch halb so süß schmeckt.

Die Summenformel (C6H12O6) ist übrigens bei Fructose, Galaktose und Glucose gleich, die Anordnung der Atome jedoch unterschiedlich.

Anmerkung: Natürliche und synthetische Süßstoffe wie Stevia oder Aspartam habe ich ausgelassen, um den Rahmen nicht zu sprengen. Zumal diese im Gegensatz zu Zucker praktisch keinen physiologischen Brennwert besitzen. Außerdem lasse ich auch die Galaktose (Schleimzucker) außen vor. Enthalten ist dieses Monosaccharid zusammen mit Glucose in dem Disaccharid Lactose, welches keine großen Süßwert besitzt (27).

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Auswahl an Produkten zum Süßen

Wie schon erwähnt, enthalten alle im Folgenden vorgestellten Produkte maximal vier verschiedene Zucker:

die beiden Monosaccharide Fructose und Glucose sowie die Disacharide Maltose und Saccharose.

Durch die Verarbeitung und Herstellung, sowie Angebot und Nachfrage, ergeben sich natürlich enorme Preisunterschiede. Neben der unterschiedlichen Süße unterscheiden sie sich auch durch verschiedene aromatische Verbindungen, die in reinem Haushaltszucker nicht vorhanden sind.

Zucker


Honig

Honig besteht aus Fructose und Glucose, wobei das Verhältnis je nach Sorte variiert, der Anteil an Fructose aber überwiegt. Durch Enzyme wird durch die Bienen Glucose in Fructose umgewandelt.
Da Glucose leichter als Fructose kristallisiert, kann man an der Konsistenz des Honigs den Anteil an diesen Zuckern abschätzen: Je höher der Anteil an Glucose, desto stärker kristallisiert der Honig, je höher der Fructose-Anteil, desto flüssiger und süßer das Endprodukt.

Ernährungswissenschaftlich hat Honig nach aktuellem Stand übrigens keinen Vorteil gegenüber normalem Rohr- oder Rübenzucker. Zwar sind im Honig verschiedene Vitamine, Mineralien und Aminosäuren enthalten, diese jedoch in so geringer Konzentration, dass bei Verzehr einer realistischen Menge keine nachweislichen Auswirkungen auszumachen sind.

Ein Beispiel: Um den täglichen Bedarf an Vitamin B2 zu decken, müsste man täglich etwa 1,6 kg Honig verspeisen. Man kann auch auf 50 g Hühnerleber ausweichen.

Honig hat jedoch je nach Sorte ein individuelles Aroma, welches ihn von Zucker unterscheidet. Er ist also nicht nur süß, sondern fügt einem Dressing oder auch einer Sauce weitere geschmackliche Nuancen zu.

Kleinkinder unter einem Jahr sollten keinen Honig essen, da ihr Verdauungstrakt noch sehr empfindlich ist. Dort können im Honig enthaltene Sporen des Botulismus-Bakteriums keimen und verschiedene Beschwerden verursachen.


Agavensirup

Der Sirup, der aus verschiedenen Agavenarten gewonnen wird, enthält schließlich etwa 70 % Fructose und etwa 20 % Glucose. Dies erklärt die starke Süßkraft. Außerdem ist der Glykämische Index und die Glykämische Last von Fructose geringer als von Glucose, da Fruchtzucker erst in der Leber metabolisiert wird, ehe er als Energie zur Verfügung steht. Dies könnte für Diabetiker interessant sein.


Reissirup

Reissirup besteht aus Maltose und Glucose, ist also nicht so süß wie Saccharose. Reis enthält von Natur aus keine Fructose.
Maltose findet man immer vor, wenn Stärke auf biologische Weise abgebaut wird. Also beispielsweise in Getreide (Malzzucker). Dieses Disaccharid besteht aus zwei Glucose-Molekülen.

Natürlich kann man aus Getreide eine zuckerhaltige Masse herstellen, was sich Bierbrauer seit Generationen zunutze machen.
Wer unbedingt mit reiner Glucose süßen möchte, kann alternativ und viel günstiger reinen Traubenzucker (auch Dextrose genannt) kaufen.

Im Handel wird Reissirup übrigens oft mit dem Etikett „fructose- und glutenfrei“ beworben. Das ist so, als würde man ein Elektrofahrrad mit dem Schild „Verbraucht kein Benzin!“ anpreisen, denn natürlich enthält Reis kein Gluten. Ich warte darauf, dass im Supermarkt über der Gemüse-Abteilung „rein vegane Produkte“ steht.


Ahornsirup

Ahornsirup wird, wie der Name schon sagt, aus dem Saft des Ahornbaums gewonnen. In Nordamerika wird hierzu in die Rinde ein kleines Loch gebohrt, um den Saft mit einem kleinen Plastikröhrchen mit Unterdruck herauszusaugen. Dabei werden viele Zapfstellen zu einer Art Melkanlage verbunden.

Ahornsirup besteht zum größten Teil aus Saccharose in gelöster Form und hat einen Wasser-Anteil von etwa 40%.

Die beste und auch teuerste Qualität (AA) ist Ahornsirup, der sehr hell und mild im Geschmack ist.

Aufgrund des relativ hohen Preises von Ahornsirup ist der Anreiz, dieses mit Zuckersirup aus Rüben oder Zuckerrohr zu strecken natürlich groß. Außerdem können diverse Stoffe enthalten sein, die die Zapfanlagen keimfrei halten sollen, denn Zuckerlösung ist ein hervorragender Nährboden für Mikroorganismen.


Maissirup

Dieser Sirup wird hauptsächlich in der Nahrungsmittelindustrie der USA als Süßstoff in vielen Softdrinks, Ketchup und eigentlich allen süßen Produkten eingesetzt. Durch zugesetzte Enzyme wird die Maisstärke in Fructose und Glucose gespalten. Durch Isomerisierung mit einem weiteren Enzym (Glucoseisomerade) lässt sich dann der Glucose-Anteil verringern bei gleichzeitiger Erhöhung der Fructose (HFCS = High Fructose Corn Sirup). So lässt sich das Glucose-Fructose-Verhältnis später nach Wunsch und Bedarf gezielt variieren, was z.B. die Süßkraft oder Löslichkeit angeht.
Der Enzymatische Prozess ist ähnlich dem, der bei der natürlichen Honigproduktion durch Bienen abläuft.


Rüben- oder Rohrzucker

Wenn wir von Zucker sprechen, meinen wir meist Saccharose, ein Disaccharid, das aus Zuckerrohr (Marktanteil: 80%) oder Zuckerrüben (20 %) gewonnen wird. Saccharose besteht aus genau einem Fructose- und einem Glucose-Molekül, verbunden über ein Sauerstoff-Atom.

Raffinierter und somit weißer Zucker ist im Gegensatz zu braunem gereinigt. Bis auf wenige Rückstände des eingekochten Rüben- oder Zuckerrohrsirups, sind beide Zucker identisch. Es ist gesundheitlich völlig egal, ob man mit braunem oder weißen Zucker süßt. Die Menge macht das Gift. Gewöhnlicher Haushaltszucker besteht zu 99,85 % aus Saccharose, bei braunem Zucker befindet sich eine dünne Schicht aus dunklem Sirup um die Kristalle herum. Der angeführte Satz mit den "leeren Kalorien" trifft auf Kristallzucker übrigens zu, sofern man damit meint, dass Saccharose neben dem Energiegehalt keine weiteren Nährstoffe enthält. Diese Information ist jedoch auch nicht besonders erleuchtend.

Apropos brauner Zucker: Zuckerrübensirup ist ebenfalls nichts anderes als eine Mischung aus reiner Saccharose und einem Anteil der Melasse der Zuckerrüben oder des Zuckerrohrs. Dazu moderat im Preis und interessant im Geschmack.

Und noch ein Wort zu unsinnigen, süßen Mode-Produkten: Auch Kokosblütenzucker besteht ähnlich wie Rübenzucker aus etwa 95 % Saccharose. Der Rest sind jeweils etwa 2 % Fructose und Glucose sowie einige weiteren Verunreinigungen. Der Hinweis, der Glykämischen Index des Kokosblütenzuckers läge bei 35, also weit unter dem von Haushaltszucker mit 65 muss angezweifelt werden. Er stammt von einem philippinischen Ernährungsforschungsinstitut. Keine Ahnung, welche Drogen sie dort während der "Forschung" zu sich nehmen, ich persönlich finde die Veröffentlichung solcher falschen Ergebnisse unverantwortlich.

Fazit

Werden in Kochrezepten ungewöhnliche Zutaten wie Mais- oder Reissirup gefordert, lassen sich diese ohne gravierende Einschränkungen auf das Ergebnis leicht durch Haushaltszucker ersetzten. Einzig geschmacklich unterscheiden sich beispielsweise Honig oder Ahornsirup von Haushaltszucker, der einfach nur süß ist (und daher auch geruchlos).

Mit einfachem, weißen Zucker kann man viele, tolle Dinge zubereiten. In hoher Konzentration wirkt er konservierend und unter Zugabe von etwas Säure, lässt sich ein Sirup kochen, der beim Abkühlen nicht mehr kristallisiert (Invertzucker).
Beim Backen dient Zucker unter anderem als Bindemittel für Wasser, Nahrung für Hefe oder auch als konsistenzgebender Teil der Teigmasse.
Zudem nutzt man die klebenden Eigenschaften für die Herstellung von Marzipan und verhindert mit Zucker, dass Eis zu einem harten Block wird.
Man kann sogar täuschend ähnliche Glasflaschen herstellen, die man sich in Filmen ohne größere Verletzungen auf den Kopf schlägt. Was wäre die Welt ohne Zucker?

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Da wir gerade dabei sind, noch ein Hinweis zum Witz über Chuck Norris: „er isst keinen Honig, er kaut Bienen.“

So verkehrt ist die Idee gar nicht, denn einigen Völkern, beispielsweise in Australien, dienen Honigameisen als süße Nahrungsquelle. Einige dieser Tiere speichern den Honig nicht wie Bienen in Waben sonder in einem Honigsack am Körper. So werden sie, von der Decke im Ameisenhaufen hängend, quasi zu einem Vorratsbehältnis für ihre Artgenossen. Zum Verzehr des Honigs beißt man dann einfach den Unterleib der Ameise ab. Lecker.

Der Text ist doch etwas länger und theoretischer geworden. Um zurück zur Küchenpraxis zu kommen, folgen in den nächsten Tagen zwei Rezepte mit Zucker: Erdbeerkonfitüre ohne Gelierzucker und Chai-Sirup.